Freitag, 6. März 2009

All of this has happened before and will happen again.

Lost: 316










Die Fälle von mysteriösem Verlust der Körperbehaarung häufen sich bei LOST.
Vor einem Jahr erschien Jack Shephard plötzlich ohne Brustflaum. Defamer (R.I.P.) machte damals auf die Haaranomalie aufmerksam.

Ein Jahr später begegnet uns an Bord von Flug 316 plötzlich ziemlich überraschend der gute alte Frank Lapidus wieder. Aber er sieht nicht aus wie der Frank, den wir kennen, sondern eher wie dieser mysteröse entfernte Verwandte von mir.

Aber halten wir uns nicht mit solchen Kleinigkeiten auf. Lasst mich zu den Umständen kommen, die dazu führten, dass Jack an Bord einer Ajira Airways-Maschine auf Frank Lapidus stieß: Desmond, Sun, Ben und Jack versammeln sich -nach ihrem Stelldichein in der Stadt der Engel- alle um das prachtvolle Foucaultsche Pendel von Mademoiselle Hawking*, die darauf hinweist dass eben jenes Pendel der Weg war die Insel bei ihrem Sprung durch die Breitengrade zu lokalisieren und aufzufinden. Sie händigt Jack ein paar Blätter aus, auf denen die Abflugzeiten einiger Airlines verzeichnet sind, deren Flugrouten sich mit dem Aufenthaltsort der Insel überschneiden werden.

Und damit haben wir schon mal einen der Momente in dieser Folge erwischt, in denen ich um meinen Verstand zu fürchten begann. Nicht in der gewohnten Weise, in der dies bei Lost desöfteren der Fall ist. Normalerweise fühlt man sich dann wie in der ersten Analysis II Stunde in Mathe. Aber hier war keine Spur von Analysis. Außer vielleicht in den Berechnungen von Hawking. Denn die Rückkehr auf die Insel präsentiert sich, abgesehen von deren Berechnungen an einer alten Schultafel, als ziemlich simpel und unproblematisch. Wenn da nicht diese "Ihr müsst möglichst in der Konstellation auf die Insel kommen, in der ihr damals dort gelandet seid."-Sache wäre. Also muss Jack Locke die Schuhe seines Vaters anziehen, Hurley (der unvermittelt am Flughafen auftaucht) hat einen Gitarrenkoffer dabei, Sayid (der ebenso unvermittelt auftaucht), wird von einem FBI-Agenten abgeführt und Kate (die ebenso unvermittelt auftaucht) ...hat aus irgendeinem wahrscheinlich sehr abgründigem Grund Aaron daheim gelassen. Wobei ich fast vermute, dass Aaron tot sein könnte. Oder hat sie ihn einfach nur bei Jacks Stiefmutter abgesetzt? Ich glaube wir können sicher sein, dass wir in irgendeiner der nächsten Folgen volle Auskunft über Aarons Verbleib bekommen werden. Obwohl mein Bedarf an Flashbacks dieser Art eigentlich gedeckt ist. Ich will eigentlich überhaupt nicht sehen wie Hurley und Sayid in dieses Flugzeug gekommen sind. Meinetwegen können Cuse und Lindelof einfach eine Mail an den Dharma-wants-you-Verteiler schicken, in dem steht wer (Widmore oder Linus oder ??? [damit meine ich Monsieur Unbekannt, nicht die drei Fragezeichen]) die beiden zum Flughafen gebracht hat und zu wem Caesar und die FBI-Agentin gehören.

Aber zurück zum Wie komme ich zurück zur Insel-Trick 17:

Man kann die Charaktere, die man in haarsträubende Situationen verfrachtet die Lächerlichkeit der Situation, in der sie sich befinden so oft aussprechen lassen, wie man will. Es ändert nichts an der tatsächlichen Lächerlichkeit der Situation.

Jack nimmt in dieser Folge die zweifelnde ungläubige Position sowohl des Zuschauers als auch des Autors ein, der hier vielleicht mit einer, gemessen an der Komplexität, mit der Lost üblicherweise aufwartet, etwas einfältigen Lösung davon kommen will. Aber das Ganze ist nicht all zu schlimm, denn Jack ist ohnehin der Zweifler der Losties, der Man of Science. Und der Moment, in dem er sich im Flugzeug neben Kate setzt und zum wiederholten Mal davon anfängt wie lächerlich und unfassbar das Ganze ist meint man beinahe er findet langsam Gefallen an diesem ganzen Humbug.

Allerdings kann, was Jack angeht eh nicht viel schief gehen. Ich bin irgendwie automatisch in jeder Sekunde, in der Jack Shephard auf meinem kleinen Bildschirm zu sehen ist begeistert. Jack ist einfach klasse. Vielleicht sind Filmhelden, die ständig kurz vor dem Nervenzusammenbruch stehen auch einfach mein Ding. Und Jack steht nun wirklich, vor allem in diesem Teil der Staffel, in beinahe jeder Szene kurz vor einem Heulkrampf.

Aber diesen ganzen hero-in-peril-Fetisch mal beiseite gelassen ist die Szene, in der er Locke die Schuhe seines Vaters anzieht einfach überaus episch und stark. Dieser Heulkrampf kommt zum richten Zeitpunkt. Da kann man nicht meckern. Diese beiden Männer, die sich so oft mit ihren unterschiedlichen Weltsichten gegenüber standen.
Und doch hat Locke, in jenem Moment, in dem er tot in diesem Sarg liegt den wichtigsten Teil seiner Heldenreise bereits hinter sich, und ist nicht nur deswegen Jack klar überlegen. Zwar schien er vom ersten Moment an als er auf die Insel kam eine Renaissance zu durchleben aber die Herausforderungen, Prüfungen und Proben, die ihm und seinem Glauben gestellt wurden hörten einfach nicht auf. Bis hin zur letzten Prüfung: Seinem Tod.

Die Konfrontation mit seinem Vater hat Locke zumindest bereits hinter sich. Jack steht diese noch bevor.

Als Jacks Iris, wie vor vier Jahren, im Dschungel auftauchte und Miss Hawking ihm die Fluglinien zeigte, die sie zurück zur Insel führen würden, wurde mir auch irgendwie klar, dass man für eine Achterbahnfahrt von Erzählung, wie sie Lost bietet, einige Opfer bringen muss. Dazu gehört der ein oder andere dürftige Dialog in jeder Folge. Und vielleicht auch die ein oder anderen klitzekleinen leaps of faith an diesem Punkt der Erzählung, an dem viele der Stützen und Fundamente offenbart werden, die diesen mysteriösen und epischen Prachtbau all die Jahre unterstützt und aufrecht erhalten haben. Vor allem die Sache mit dem Proxy, den Platzhaltern auf dem Flug, war etwas zu magisch aber ich denke wir sind nochmal ziemlich gut davon gekommen mit dieser Folge.




316 bot uns auch einige großartige Augenblicke mit Ben Linus. Der erste davon war diese Einstellung, die Benjamin in der Kirchenbank kniend und betend zeigt. Wie krank Linus eigentlich ist fällt immer besonders in den alltäglichsten oder eben menschlichsten Momenten auf. Wenn sich Hurley einen Müsliriegel mit ihm teilt, wenn Ben für Juliette einen Braten zubereitet oder, wie hier, wenn einer der interessantesten undurchschaubarsten und abgründigsten Bösewichte der Fernsehgeschichte in der Kirche sitzt und betet.
Der andere tolle Moment:

"The other people on this plane. What's gonna happen to them?"

"Who cares."



Abgesehen davon ist es sehr lustig Ben einmal überrascht, uninformiert und scheinbar ohnmächtig zu sehen, wie in Hawkings Büro mit dem Foucaultschen Pendel.

Auch ein anderer Lieblingscharakter von mir hatte einen schönen Auftritt: Desmond. Ich glaube, dass er deswegen so beliebt ist, weil seine Geschichte die mitunter tragischste und Herz zerreißendste der gesamten Serie ist. Um so besser ist es, dass er in dieser Situation am Foucaultschen Pendel so reagiert wie er es tut. Dass er sein angebliches Schicksal ablehnt und den Raum verlässt um zu seiner Familie zurückzukehren. Wenn man sich dabei ertappt, dass man Desmond bei seinem kleinen Ausraster gegen Hawking anfeuert, merkt man, dass die Thematisierung von Schicksal und Selbstbestimmung in der Serie immernoch funktionieren. Obwohl man weiß, dass Jack und die restlichen O6 wahrscheinlich tatsächlich zur Insel zurück müssen. Und in seinem dreijährigen Inselurlaub als Zahlentipper hat sich Desmond auch nicht gerade von seiner selbstbestimmtesten Seite gezeigt.

"These People here are just using us. They're playing some kinda game and we're just the pieces. Whatever she tells you to do. Ignore it.
You say the Island is not done with me. Well, I'm done with the Island."


Eine weitere Frage ist natürlich noch, ob Ben später so Blut überströmt am Hafen steht weil ihm irgend jemand von Team Widmore in die Quere gekommen ist, als er Penelope entführen oder etwas Schlimmes antun wollte oder ob ihm einfach nur sein "alter Freund" eins ausgewischt hat. Ebenso wie die Sache um Aaron möchte ich auch diese Information nicht in einer nur dieser Frage gewidmeten Folge, in 12 Monaten serviert bekommen. Bitte nicht.


*Ich war gestern in Willkommen bei den Sch'tis - 1 Billion Franzosen können nicht irren und bekam erstmal einen großen Schrecken als ich feststellte, dass Ms. Hawking eine Sch'ti ist. Wer hätte das gedacht?

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