Dienstag, 19. Februar 2019

LATE NIGHTS #3 [von 2014]



Willkommen zum dritten und letzten Teil von LATE NIGHTS, der Serie, in der wir Formate aus Übersee vorstellen, die unseren Vorstellungen von dem, was Late-Night sein kann und soll in den Hintern treten. 

Heute mit: "COMEDY BANG BANG".  
Find out what it all means:


D A S  F O R M A T:

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Bei „Comedy Bang Bang“ handelt es sich um die fiktionalisierteste Version einer Late-Night-Show, die wir kennen. Im Prinzip funktioniert das Format nicht als Late-Night Show sondern als Serie, die strikt im Rahmen eines Late-Night-Formats angesiedelt ist. Bei den Gästen handelt es sich um Schauspieler und Comedians, die, ähnlich wie in Scott Auckermans co-produziertem Clip-Format „Between Two Ferns“, mit teils fiktionalen Rollenzuschreibungen, Teil der Episodendramaturgie werden. Scott Auckerman ist der Host des Formats. 

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Bei seinem "Sidekick" handelt es sich um seinen „Bandleader“ Reggie Watts. Watts ist Comedian und Musiker, vor allem bekannt für fulminante improvisierte Elektro-Loop-Songs.

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Die Show führt letztlich die absurden, dekonstruierenden fiktionalisierten Humor-Facetten, die auch bei „Late World with Zach“ eine zentrale Rolle spielten, konsequent und mit höherem Inszenierungs-Aufwand ca. 10 Stufen weiter. Die Handlung bewegt sich beispielsweise häufig aus dem Studio hinaus, bezieht ebenso fiktionale Crew-Mitglieder des Studios mit ein und spinnt kleine Geschichten, in denen Auckerman und Watts für kurze Zeit zu Hauptfiguren einer abgedrehten Serie, eines Actionstreifens oder anderer beliebiger Genres werden. Im Wikipedia-Text der Show findet sich der Begriff der „mock talk-show“, der Auckermans Web-Format "Between Two Ferns" auch sehr zutreffend beschreibt. 

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Auckerman betont zwar in einem Interview die Wichtigkeit von Improvisation, produziert ist das Format allerdings so, dass die Improvisation sich ziemlich nahtlos und unbemerkt in den Rahmen der episodischen stories einfügt, die in ihrer scheinbar strikten Dramatisierung für angenehme kurzweilige 30 Minuten sorgen. Der Begriff der "Mock-Talkshow" weist ja schon auf die meta-Facetten des Formats hin. Das Schöne ist allerdings, dass CBB aus diesem Auseinandernehmen von Fernsehklischees etwas eigenständig Neues kreiert, was sich gar nicht in erster Linie über die Parodie definiert. Stattdessen brodelt das Format nur so vor lauter abstruser Entwicklungen, plotpoints und Pointen, die ihre Kraft scheinbar nicht zuletzt den Impro-Instinkten der jeweiligen Gäste zu verdanken haben. *Seufz* Haben wir schon erwähnt, dass wir "Comedy Bang Bang" wirklich lieben, weil es nie aufhört uns zu überraschen und die ekelhaftesten Lachgeräusche in uns auslöst?

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D E R   H I N T E R G R U N D:
„Comedy Bang Bang“ begann und existiert weiterhin als Podcast. Ähnlich wie Chris Gethard reichen auch Auckermans Wurzeln (ebenso wie die von vielen seiner Gäste) zur Improv-Schmiede der „Upright Citizens Brigade“ zurück. 
Der IFC, auf dem die Show läuft erlebt insbesondere mit Carrie Brownsteins und Fred Armisens Sketch-Comedy "PORTLANDIA" zur Zeit großen Erfolg. Mit einer weiteren Comedy-Serie mit Bob Odenkirk, einer autobiographischen Sitcom mit Marc Maron ("Maron") und dieser wunderbaren Sendung scheint der IFC sein Hauptaugenmerk sehr erfolgreich auf interessante und tatsächlich erfrischende Comedy-Konzepte zu lenken. 
P R O G R A M M I E R U N G:
„Comedy Bang Bang“ startete bei dem Spartenkanal I(ndependent)F(ilm)C(hannel) zunächst als Webserie, um dann zur regulären Serie befördert zu werden. Die ersten Staffel bestand aus zehn Folgen. Die Folgenorder wurde aufgrund des Erfolgs dann auf zwanzig Folgen erhöht, zur Zeit läuft die dritte Staffel ebenfalls mit zwanzig Folgen. Vor geraumer Zeit hat  IFC die vierte Staffel mit 40 Folgen geordert. Wie die Sketch-Comedy "Portlandia" ist auch "Comedy Bang Bang", zumindest im amerikanischen Netflix-Gebiet schaubar. 


U N I N S P I R I E R T E R  V E R G L E I C H: 
Helge meets Harald meets Arrested Development. 

U R T E I L:  

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20 von 10 Scott Auckermen. 

LATE NIGHTS #2 [von 2014]


Willkommen zum zweiten Teil unseres dreiteiligen Features 
L A T E   N I G H T S, in dem wir weniger bekannte aber interessante US-Late-Night-Formate vorstellen. Heute mit einer Show, die lediglich neun Wochen lang produziert wurde und einem der ersten großen  Auftritte eines Comedians/Schauspielers, der ca.10 Jahre später mit "THE HANGOVER" einem größeren Publikum bekannt wurde: Zach Galifianakis
Passend zum Pianistenhobby des Hosts, hier unser Soundtrack zum Klicken beziehungsweise das Late-Night-Intro unserer Träume:



D A S  F O R M A T:
Auch bei „Late World with Zach“ sucht man den typischen Late-Night Schreibtisch vergebens. Die Studioästhetik offenbart vielmehr klassischen Minimalismus und gibt den Blick frei auf den Moderator/Host. 

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Zach Galifianakis begann seine Karriere neben frühen Engagements als Schauspieler als stand-up Comedian und machte mit oft anarchisch-absurd anmutenden sets, mal mit, mal ohne Klavier in der alternativen US-Comedy-Szene auf sich aufmerksam. Mit seinem von scheinbar wahllos-willkürlichem Humor, der häufig gewohnte Unterhaltungsstrukturen dekonstruiert ist Galifianakis tatsächlich in jedem Aspekt von „Late World“ wieder zu finden. Beziehungsweise gibt es außer den Interviews, die mal als Einspieler, mal im Studio stattfinden und diversen Skits (ebenfalls als Einspieler) und dem obligatorischen Eröffnungsmonolog (desöfteren am Klavier) keine wirkliche Formatierung außer dem Ton angebenden Humor und die Vorlieben von Galifianakis selbst. 
 Nicht das strukturelle „was“ ist das Entscheidende der 20-minütigen Sendung sondern das „wie“.  Die Show lebt von Ironisierungen, Fiktionalisierungen und Dekonstruktionen typischer Late-Night-Kontexte. Bevor wir dazu kommen, dass die lockere und ironische Ausrichtung und Struktur der Show (wir haben die Vermutung, dass es beispielsweise so gut wie keine Wiederholungen in den Skits/Segmenten gibt) eventuell einen Grund für die schlechten Einschaltquoten und baldige Absetzung der Show darstellte, müssen wir erst noch die wichtigere Frage klären: Warum sind die Skits an sich unfassbar lustig und grandios? Das Besondere an Galifianakis ist, dass seine Ironie eher selten Distanz und Kühlheit ausstrahlt. Zu Galifianakis' typischer Angstfreiheit gehört nicht nur, dass er sich über alles und jeden lustig machen kann sondern vor allem, dass er selbst das Opfer des skits ist. So funktioniert letztlich "Between Two Ferns" und so funktionieren viele der Skits in dieser Show. Es ist auch einer der Gründe, warum Galifianakis' Sketche mit Kindern so gut funktionieren

Gegen Ende ihrer kurzen Lebenszeit wuchs die Show in gewisser Weise nochmal über sich hinaus. So moderierte Galifianakis eine Show in einem öffentlichen Bus, eine weitere bei sich zuhause.
P R O G R A M M I E R U N G:
VH1 cancelte "Late World with Zach" laut wikipedia nach neunwöchiger Produktion. 

LATE NIGHTS #1 [von 2014]



Willkommen zum ersten Teil unseres dreiteiligen Features
L A T E   N I G H T S, heute mit der köstlich durchgeknallten Freakshow und Fernsehgrenzen im buchstäblichen Sinne überschreitenden "THE CHRIS GETHARD SHOW"

Mehr, nach dem Cut und dem Late-Night Intro unserer Träume


D A S  F O R M A T : 
We wanna start the show with the Chris Gethard Show-guarantee, which goes like this: we hope this is a good show. We want it to be really funny. If it's not then we promise that it will be a disaster of such a high level that it will be more enjoyable than it would've been if the show went well.“ 
                                            Chris Gethard in Folge 1 der TCGS
Keine andere Show zeigt, wie gestört und durchgedreht Late-Night tatsächlich sein kann... wenn es nicht im kommerziellen Fernsehen ausgestrahlt wird. „THE CHRIS GETHARD SHOW“ läuft auf einem Public Access-Sender, was der amerikanischen Version eines offenen Kanals entspricht. Das einstündige Format zeichnet sich durch aufrichtige Absurdität und Verrücktheit aus, was aber nicht heißt, dass die Show nicht bei näherem Hinsehen mindestens den Ideenreichtum und die Planungsambitionen eines normalen professionellen deutschen Late-Night-Formats erkennen ließe. Das intendierte Chaos' hat aus unterschiedlichen Gründen Substanz: Unter anderem aufgrund des roten Fadens, der in erster Linie vom oft absurd-surreal und gleichzeitig spannendem Thema der jeweiligen Episode („Smash Cut To The Future“, „The Genuine Sadness Episode“, „Sibling Rivalry“, „Fan Fiction Theatre“,"Celebrities Come Validate Us") vorgegeben wird. Zu diesem Thema gibt es einzelne Aktionen und Spiele. TCGS wird vor live-Publikum aufgezeichnet (und mittwochs live ausgestrahlt), was einen weiteren wichtigen Aspekt des Formats ins Spiel bringt: Interaktion mit den Zuschauern per Internet oder Telefon. Anstelle eines Sidekicks sitzen in dieser Show gleich mehrere Panelists neben Gethard auf der Bühne, die den Haupt-Cast der Show bilden.

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TCGS ist punk, subversiv, edgy, nerdig und höchstwahrscheinlich der Albtraum traditioneller Werbekunden (siehe "Hintergrund"). Entscheidend ist, dass die Show diese Attribute nicht als gimmick benutzt. Der letzte Satz aus den Beschreibungen der Folgen auf youtube bringt es auf den Punkt: "No cool kids." Wie cool, weil befreiend und wunderbar eine Unterhaltungssendung in der Konsequenz tatsächlich sein kann zeigt diese Show. Hier müssen wir kurz auf ein deutsches Formats zu sprechen kommen, was versucht absolut "verrückt" und "crazy" zu sein aber u.a. aufgrund seiner beiden Moderatoren, die eine "cool kids"-Ausstrahlung wie wenig andere besitzen, diese craziness immer nur als leeren Gestus bringen kann. Die Rede ist natürlich von Joko und Klaas bzw. "Circus Halligalli". 

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Wie das bei jeder guten Comedy der Fall ist ermöglicht "The Chris Gethard Show" neben allem Spaß und gerade aufgrund des absurden Humors und des anything goes-Prinzips häufig Momente, deren Wahrheit und Menschlichkeit von anderen Late-Night Formaten unübertroffen ist. Der Untertitel "most bizarre and often saddest talk show in New York City" ist dementsprechend treffend. 
D E R    H I N T E R G R U N D:
Ähnlich wie ein weiteres unserer vorgestellten Formate hat auch diese Show ihre Wurzeln im unglaublichen Comedy-/Show-/Unterhaltungs-Inkubator der „Upright Citizens Brigade“. Bei der UCB handelt es sich um einen Improv- Comedy-Club, der sowohl als Aufführungsort als auch als eine Art informelles Ausbildungsprogramm für ambitionierte Comedians dient. (Tipp: Falls ihr in NY oder LA seid dürft ihr es auf keinen Fall verpassen das jeweilige UCB-Theater zu besuchen. Die Shows sind nicht nur absolut grandios und lassen Euch vielleicht sogar den ein oder anderen Fernsehstar live erleben sondern sind ebenfalls mit ca. 5 Dollar unfassbar günstig.) Inzwischen ist klar, dass das amerikanische Fernsehen ohne die UCB um viele Schauspieler, Produzenten, Comedians ärmer wäre. Nachdem Chris Gethard die Show zwei Jahre im UCB-Theater in New York aufführte brachte er sie ins Public Access-Fernsehen bzw. ins Internet. 


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D I E  P R O G R A M M I E R U N G:
Live-Ausstrahlung via Public Access, archivierte jederzeit abrufbare Folgen-Archivierung auf youtube und blip.tv. 
Die Abrufzahlen schwanken auf youtube zwischen 1 und 6-Tausend.  2014 pilotierte Comedy Central eine Folge der TCGS, im Mai wurde jedoch bekannt gegeben, dass die Pilotfolge unausgestrahlt bleiben und TCGS nicht in Serie gehen würde.

[ETA: Dieser Text entstand ursprünglich 2014. Danach wurde TCGS von Fusion übernommen. Daraufhin eingestellt und auf TruTV gezeigt. Inzwischen wurde die Show eingestellt. Chris Gethard hatte ein erfolgreiches HBO Special namens CAREER SUICIDE.]

U R T E I L  D E R  J U R Y:
0 von 10 Joko und Klaas'.

INTERNET & FERNSEHEN in dem Format HITRECORD ON TV









Viele Menschen versuchen ja hin und wieder dieses ...Internet irgendwie in ein Fernsehformat zu bringen. Meistens zum Erschrecken einiger Zuschauer. Beliebt beispielsweise sind: Das Alibi-artige Einblenden von tweets oder facebook-posts verbunden mit der Frage “Was sagt die Internet-Community dazu?”, so als ob es immer noch 1997, und das Internetz dieses von Nerds bevölkerte neue Telefon-Computer-Dings wäre. 

Ganz im Gegensatz zu jenen problematischen Vorstößen ist HITRECORDonTV eine Show, die nicht nur das Internet als Quelle nutzt, sondern direkt aus einer Web-Plattform hervor gegangen ist. 

Hitrecord ist eine von hitrecordjoe (Joseph Gordon-Levitt) gegründete Online-Kooperationsplatform, die es Menschen weltweit ermöglicht ihren kreativen Output zu verknüpfen und in unterschiedlichsten medialen Bereichen kreativ zusammen zu arbeiten. Zu den Grundregeln des Unternehmens gehört: Wer etwas zu einem Produkt beisteuert, das kommerziell verwertet wird, wird automatisch an dessen Gewinn beteiligt. 

"HitRECord on TV" bündelt die Online-Kooperationen in Form einer thematischen Anthologie-Show und die erste Ausgabe steht dem Anlass entsprechend unter dem Thema "The Number One". 

Wir sind grundsätzlich begeistert von dieser Show und dem Format. Es waren eher kleine Nebensächlichkeiten, die uns negativ auffielen:  dass JGL als charismatischer host ständig cinéma vérité-mäßig eine D5 neben sich hertrug, beispielsweise. Und wir hätten nichts dagegen Davis Guggenheims eigenen kleinen Beitrag über den Riesen-Waldorganismus in Oregon zu sehen. Auch Profi-Promis haben nämlich bei HitRECord ihren Platz, in dieser Folge tritt Elle Fanning in einem auf einem biographischen Artikel basierenden Kurzfilm auf. 

Das führt uns zu dem, was uns an "HitRECord on TV" am meisten fasziniert: Wir haben noch nie ein Format gesehen, das die Aspekte des Online-seins so konkret, kompakt und unmittelbar erfahrbar auf den Punkt bringt: Die Möglichkeit und Realität der Verbindung zu so vielen Menschen, die generelle Kurzzeitigkeit, die Häppchengestalt von Informationen und Wissen, so verdammt viele Beziehungen, der Fokus auf Publikum/Zuschauer, Amateurkreationen, der überwältigende Geist von Partizipation.... all diese Dinge kommen verdichtet in der Show vor. 

In der Show liegen höchstwahrscheinlich wertvolle Anregungen und Inspirationen für die Beziehung des Fernsehens mit dem Onlineversum verborgen, auch wenn diese Ansätze durch die spezielle Herkunft des Formats nur schwer übertragbar scheinen. Der Schlüssel zur Qualität des Formats ist auf jeden Fall, dass die transzendenten Eigenschaften des Internets bei “HitRecord on TV” nicht Accessoires sondern Ausgangspunkt und Funktion selbst sind. 

[Der Text stammt von 2014.]

Hier ein Artikel im New Yorker zu HITRECORD ON TV. 

BUFFY THE VAMPIRE SLAYER [von 2016]





Als ich BUFFY THE VAMPIRE SLAYER mit Hilfe des wunderbaren oft verkannten Zufallsgenerators namens „lineares Fernsehen“ in der hundertsten Pro7-Ausstrahlung zum ersten Mal sah, traf Buffy Summers in einer dunklen Seitengasse irgendwo hinter dem Bronze auf Angel. Ein spektakulärer, leicht trashig aussehender Kampf entwickelte sich und Buffy Summers sah sich gezwungen an einem quer über der Straße hängenden Rohr mehrere Riesenfelgen zu turnen. Eine gnadenlos aufgehübschte Blondine, die lächerliche Turnübungen vollführt? Damals wusste ich noch nicht, was Feminismus eigentlich bedeuten kann. Ich wusste nur, dass Rory Gilmore und Claire Fisher die coolsten Serienheldinnen waren und, dass mir Schminkzeug und Klamotten nicht so wichtig waren. Diesem billigen Scheiß würde ich also definitiv nichts abgewinnen können: Hard Pass!

Ich war allerdings in genau die Fallen getappt, die die Serie mehr oder weniger bewusst auslegt. Eine leicht trashige Ästhetik, weit von den glossy looks heutiger Prestige- und vermeintlicher Qualitätsserien entfernt. Und eine Hauptfigur, die meinem 15-jährigen Willowmäßigem aber weniger intelligentem Selbst total oberflächlich und langweilig erschien. Letzteres ist natürlich genau das, was Joss Whedon, Showrunner, als Grundidee der Serie im Sinn hatte: Eine junge Frau, die von außen als lediglich hübsches Objekt möglicherweise sogar Opfer wahrgenommen wird, dem angreifenden Vampir, Monster, Werwolf jedoch mächtig in die Eier tritt, sobald er sich über sie hermacht.

So geht es einem auch, wenn man diese großartigste aller Serien dann tatsächlich guckt. Sie reißt Dir das Herz raus, gibt Dir deine Seele zurück und lässt Dich alle Emotionen des Erwachsenwerdens in einem kathartischen Marathon durchleben. Ob es der eigene Freund ist, der sich nach dem ersten Sex unwiderkennbar verändert, der neue Freund der Mutter, der sich in die Familie einschleicht, sich später jedoch als Android entpuppt; die Mitschülerin, die vor lauter Schüchternheit unsichtbar wird, die Freundin mit besonderen Hexenkräften, die süchtig wird nach zu viel Macht und dem Gefühl des Zauberns. Diese Liste könnte komplettiert werden durch einen vollständigen Episodenguide. Denn jede Folge der Serie erzählt im Kern von den metaphorischen Dämonen und Herausforderungen des Erwachsenwerdens.

Was die Serie dabei so spannend macht sind die Fallhöhen, die von Beginn an etabliert werden. Dem tiefen emotionalen Empfinden und der archetypischen „Angst“ eines Teenagers entsprechend, geht es um nichts weniger als das Überleben. Buffys größte Bedrohung ist der Tod. Im größeren Kontext geht es für alle jedoch um das Überleben der High School, dann der Uni und der Suche nach einem Job, Einkommen und einer erfüllenden Existenz. Immer wieder droht der Tod. Oder, nachdem Buffy tatsächlich gestorben ist und von ihren Freunden von den Toten wieder auferweckt wurde, sogar Das Leben. In der Musicalfolge Once More With A Feeling gibt Buffy preis, dass sie nicht -wie von ihren Freunden vermutet- aus der Hölle sondern aus dem Himmel auf die Erde zurückgeholt wurde, was ihre Existenz unglaublich schwer, schmerzhaft und deprimierend macht. Wie treffend ist dieses Bild für ein Gefühl der Schwermut und Überforderung, das fast jeder Erwachsene kennt?

Wie der Vampir Spike, wahlweise mit und ohne Seele und Biss, zu Beginn Feind, dann Verbündeter von Buffy und ihren Freunden, Buffy singend antwortet: „Life's not a song, Life isn't bliss, life is just this, it's living.“

Die Themen der Episoden und Staffeln ergeben sich in der Serie stets aus den Handlungen, Ängsten, Fragen und Reaktionen der Hauptfiguren, Xander, Willow, Giles (Buffys väterlicher Mentor, der mit seinen eigenen „Growing Pains“ beschäftigt ist) und Cordelia. Nicht aus einer oberflächlichen Lust an Monstern und Mayhem. BTVS ist ein perfektes Beispiel für die Wichtigkeit erzählerische Konsequenz. Entscheidungen, Taten, Plotpoints haben rigoros Konsequenzen in diesem Universum. Das gehört zum erzählerischen Erfolgskonzept, macht die Serie ungemein spannend und bestimmt die serialisierte Struktur. In jeder Staffel gibt es einen Hauptbösewicht. Ähnlich, wie bei Akte X gibt es trotzdem auch normale „Monster of the week“-Folgen, aber die Serialisierung ist dichter und (vier Jahre nach dem Start von Akte-X und Babylon 5) radikaler.

 Oft sind es auch Konzepte und Ideen, die einzelne BTVS-Folgen so einzigartig machen, wie die Halloween- oder die Traumfolgen. Hush, eine Episode, in der alle Menschen in Sunnydale ihre Stimme verlieren. Oder The Body, eine der besten Fernsehfolgen über Trauer und Tod, die es gibt. Es gibt viele weitere Beispiele, die jedem Fan der Serie sehr schnell in den Sinn kommen.

Die episodische Stärke der Serie -bei aller serialisierten Kraft- kann sich jeder Serienmacher heute zum Vorbild nehmen. Denn es ist ein Missverständnis, dass horizontale Stärke ausreicht um qualitativ hochwertig zu erzählen. Aber auch in diesem Punkt ist BTVS bis heute beeindruckend. Trotz der immer abgeschlossenen Staffelblöcke und einiger qualitativen Einbrüche gegen Ende der Serie,verfolgte sie ihre Protagonisten erfolgreich und konsequent durch unterschiedliche Lebensabschnitte und existentielle Erfahrungen.

Das Serienfinale ist dann tatsächlich die Kulminierung der subversiven Grundkonzeption der Serie. Buffy gibt als „Außerwählte“ ihre Kraft mit der Hilfe Willows an alle potentiellen Slayerinnen auf der Welt weiter und zerstört damit das von alten Männern hinterlassene Paradigma der alleinigen Machtinhaberin. Die Montage, in der Buffy alle Mädchen und Frauen dazu aufruft ihre Kräfte einzusetzen ist der dramatische Schlüsselmoment der Serie und eine der einprägsamsten und bedeutungsvollsten Seriensequenzen überhaupt.

Bei aller Relevanz, Konsequenz und Metaphorik wäre die Serie jedoch nicht das, was sie ist, ohne den Humor und genialen Witz in ihren Dialogen und die darin begründete Subversivität. Beides ist pure Joss Whedon-Zutat und -Stimme. Und es ist kein Zufall, dass Whedon, bevor er anfing eigene Serien zu schreiben Autor für Roseanne war. Für mich als Deutsche mit leichter Unterhaltungseinschränkung ist das nur ein weiterer Hinweis darauf, dass tolle Autoren immer auch im Comedy/Sitcom-Bereich zu suchen sind.