Dienstag, 19. Februar 2019

BUFFY THE VAMPIRE SLAYER [von 2016]





Als ich BUFFY THE VAMPIRE SLAYER mit Hilfe des wunderbaren oft verkannten Zufallsgenerators namens „lineares Fernsehen“ in der hundertsten Pro7-Ausstrahlung zum ersten Mal sah, traf Buffy Summers in einer dunklen Seitengasse irgendwo hinter dem Bronze auf Angel. Ein spektakulärer, leicht trashig aussehender Kampf entwickelte sich und Buffy Summers sah sich gezwungen an einem quer über der Straße hängenden Rohr mehrere Riesenfelgen zu turnen. Eine gnadenlos aufgehübschte Blondine, die lächerliche Turnübungen vollführt? Damals wusste ich noch nicht, was Feminismus eigentlich bedeuten kann. Ich wusste nur, dass Rory Gilmore und Claire Fisher die coolsten Serienheldinnen waren und, dass mir Schminkzeug und Klamotten nicht so wichtig waren. Diesem billigen Scheiß würde ich also definitiv nichts abgewinnen können: Hard Pass!

Ich war allerdings in genau die Fallen getappt, die die Serie mehr oder weniger bewusst auslegt. Eine leicht trashige Ästhetik, weit von den glossy looks heutiger Prestige- und vermeintlicher Qualitätsserien entfernt. Und eine Hauptfigur, die meinem 15-jährigen Willowmäßigem aber weniger intelligentem Selbst total oberflächlich und langweilig erschien. Letzteres ist natürlich genau das, was Joss Whedon, Showrunner, als Grundidee der Serie im Sinn hatte: Eine junge Frau, die von außen als lediglich hübsches Objekt möglicherweise sogar Opfer wahrgenommen wird, dem angreifenden Vampir, Monster, Werwolf jedoch mächtig in die Eier tritt, sobald er sich über sie hermacht.

So geht es einem auch, wenn man diese großartigste aller Serien dann tatsächlich guckt. Sie reißt Dir das Herz raus, gibt Dir deine Seele zurück und lässt Dich alle Emotionen des Erwachsenwerdens in einem kathartischen Marathon durchleben. Ob es der eigene Freund ist, der sich nach dem ersten Sex unwiderkennbar verändert, der neue Freund der Mutter, der sich in die Familie einschleicht, sich später jedoch als Android entpuppt; die Mitschülerin, die vor lauter Schüchternheit unsichtbar wird, die Freundin mit besonderen Hexenkräften, die süchtig wird nach zu viel Macht und dem Gefühl des Zauberns. Diese Liste könnte komplettiert werden durch einen vollständigen Episodenguide. Denn jede Folge der Serie erzählt im Kern von den metaphorischen Dämonen und Herausforderungen des Erwachsenwerdens.

Was die Serie dabei so spannend macht sind die Fallhöhen, die von Beginn an etabliert werden. Dem tiefen emotionalen Empfinden und der archetypischen „Angst“ eines Teenagers entsprechend, geht es um nichts weniger als das Überleben. Buffys größte Bedrohung ist der Tod. Im größeren Kontext geht es für alle jedoch um das Überleben der High School, dann der Uni und der Suche nach einem Job, Einkommen und einer erfüllenden Existenz. Immer wieder droht der Tod. Oder, nachdem Buffy tatsächlich gestorben ist und von ihren Freunden von den Toten wieder auferweckt wurde, sogar Das Leben. In der Musicalfolge Once More With A Feeling gibt Buffy preis, dass sie nicht -wie von ihren Freunden vermutet- aus der Hölle sondern aus dem Himmel auf die Erde zurückgeholt wurde, was ihre Existenz unglaublich schwer, schmerzhaft und deprimierend macht. Wie treffend ist dieses Bild für ein Gefühl der Schwermut und Überforderung, das fast jeder Erwachsene kennt?

Wie der Vampir Spike, wahlweise mit und ohne Seele und Biss, zu Beginn Feind, dann Verbündeter von Buffy und ihren Freunden, Buffy singend antwortet: „Life's not a song, Life isn't bliss, life is just this, it's living.“

Die Themen der Episoden und Staffeln ergeben sich in der Serie stets aus den Handlungen, Ängsten, Fragen und Reaktionen der Hauptfiguren, Xander, Willow, Giles (Buffys väterlicher Mentor, der mit seinen eigenen „Growing Pains“ beschäftigt ist) und Cordelia. Nicht aus einer oberflächlichen Lust an Monstern und Mayhem. BTVS ist ein perfektes Beispiel für die Wichtigkeit erzählerische Konsequenz. Entscheidungen, Taten, Plotpoints haben rigoros Konsequenzen in diesem Universum. Das gehört zum erzählerischen Erfolgskonzept, macht die Serie ungemein spannend und bestimmt die serialisierte Struktur. In jeder Staffel gibt es einen Hauptbösewicht. Ähnlich, wie bei Akte X gibt es trotzdem auch normale „Monster of the week“-Folgen, aber die Serialisierung ist dichter und (vier Jahre nach dem Start von Akte-X und Babylon 5) radikaler.

 Oft sind es auch Konzepte und Ideen, die einzelne BTVS-Folgen so einzigartig machen, wie die Halloween- oder die Traumfolgen. Hush, eine Episode, in der alle Menschen in Sunnydale ihre Stimme verlieren. Oder The Body, eine der besten Fernsehfolgen über Trauer und Tod, die es gibt. Es gibt viele weitere Beispiele, die jedem Fan der Serie sehr schnell in den Sinn kommen.

Die episodische Stärke der Serie -bei aller serialisierten Kraft- kann sich jeder Serienmacher heute zum Vorbild nehmen. Denn es ist ein Missverständnis, dass horizontale Stärke ausreicht um qualitativ hochwertig zu erzählen. Aber auch in diesem Punkt ist BTVS bis heute beeindruckend. Trotz der immer abgeschlossenen Staffelblöcke und einiger qualitativen Einbrüche gegen Ende der Serie,verfolgte sie ihre Protagonisten erfolgreich und konsequent durch unterschiedliche Lebensabschnitte und existentielle Erfahrungen.

Das Serienfinale ist dann tatsächlich die Kulminierung der subversiven Grundkonzeption der Serie. Buffy gibt als „Außerwählte“ ihre Kraft mit der Hilfe Willows an alle potentiellen Slayerinnen auf der Welt weiter und zerstört damit das von alten Männern hinterlassene Paradigma der alleinigen Machtinhaberin. Die Montage, in der Buffy alle Mädchen und Frauen dazu aufruft ihre Kräfte einzusetzen ist der dramatische Schlüsselmoment der Serie und eine der einprägsamsten und bedeutungsvollsten Seriensequenzen überhaupt.

Bei aller Relevanz, Konsequenz und Metaphorik wäre die Serie jedoch nicht das, was sie ist, ohne den Humor und genialen Witz in ihren Dialogen und die darin begründete Subversivität. Beides ist pure Joss Whedon-Zutat und -Stimme. Und es ist kein Zufall, dass Whedon, bevor er anfing eigene Serien zu schreiben Autor für Roseanne war. Für mich als Deutsche mit leichter Unterhaltungseinschränkung ist das nur ein weiterer Hinweis darauf, dass tolle Autoren immer auch im Comedy/Sitcom-Bereich zu suchen sind.

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