Freitag, 25. Januar 2019

THE X-FILES [von 2015]




"One of the reasons why The X-Files (1993) started to leave me cold was that after five years, I just started yelling at Scully, you're an idiot. It's a monster! And I couldn't take it anymore. 
I need people to grow, I need them to change, I need them to learn and explore, you know, and die and do all of the things that people do in real life. And so [on Buffy (1997)] we were very, very strict about making sure that things track, that they're presented in the right way. Because, ultimately; and this is one of the things that I did find out after we had aired, the soap opera, the characters, the interaction between them is really what people respond to more than anything else. And although we came out of it as a sort of monster-of-the-week format, it was clear that the interaction was the thing that people were latching onto. So we were happy to sort of go with that and really play it up and really see where these characters were going to go." 

Joss Whedon, zu Gast bei Fresh Air/NPR im November 2002  [x]



Um so spannender finden wir es darüber nachzudenken, was 'Akte X' dennoch zu einer Serie macht, der man 5 Staffeln (und länger) obsessiv verfällt. 



Mulder und Scully lassen uns selbst jetzt noch wie einen konditionierten Golden Retriever zur Serie zurückkehren, die wir erst vor wenigen Monaten mehr oder weniger komplett (das Ende dieser Serie ist diskutabel und von Verdrängung geprägt) geschaut haben. 

Zwei Protagonisten werden zur Schicksalsgemeinschaft: die Skeptikerin und der Gläubige. Trotz unterschiedlichsten Haltungen tragen beide Figuren ihre Positionen auf einem wissenschaftlichen Fundament aus (zu Beginn der Show ist dieser Umstand jedenfalls noch sehr bewundernswert, zumal auch vor langen Dialogen über biologisch-chemisch-physikalisch-medizinische (sci-fi-) Details nicht zurück geschreckt wird). 

Was uns insbesondere in den Anfangsfolgen blitzartig traf war der grundsätzliche Respekt, auf dem Mulders und Scullys Beziehung basiert und an den sich alle tiefen verheißungsvollen Blicke anschließen. Ein Pärchen mit unterschiedlichem Background ist im Serienfernsehen in den meisten Fällen gleichbedeutend mit einer Screwball-Dynamik. Reibung im Fall Mulders und Scullys funktioniert jedoch weniger konfektioniert und umwerfenderweise auf intellektueller Ebene. Das liegt auch an einer Erzählweise, die sich zwar an die von Werbepausen eines Networks Anfang der Neunziger diktierte Struktur fügen muss, sich allerdings für heutige Verhältnisse (insbesondere im Krimibereich) relativ viel Zeit für Gesten, Blicke und Dialoge lässt, die man von größeren Leinwänden gewohnt ist und sich so weit wie möglich vom Rhythmus eines procedurals entfernt.


Kurz gesagt: Nicht jeder Moment zwischen Scully und Mulder wird in seiner Demonstration der unterschiedlichen Sichtweisen komödiantisch ausgereizt. 

Klar, da sind die rollenden Augen Scullys, ihre widerspenstigen Seitenhiebe, ihre grundsätzliche Anzweiflung aller verrückten und realen Dinge, die Mulder vorschlägt und schlussfolgert. Aber diese Auseinandersetzungen sind meistens schockierend sachlicher Natur und oft enden sie insbesondere in den Anfangsfolgen in wissenschaftlichen (jedenfalls das, was im Universum der Serie als wissenschaftlich gilt) Auseinandersetzungen, in denen Scully entschlossen alles Wissen und alle Logik gegen Mulders Besessenheit und Kühnheit aufbringt. 

Chris Carter traute es seinem Publikum zu solche wortlastigen und durchaus komplizierten Szenen auszuhalten und dank Duchovny und Anderson vielleicht sogar zu lieben. Worin wir uns wohl alle, die wir Akte-X gesehen haben verlieben ist das Sichtbar werden dieses Respekts und der Wertschätzung beider Figuren trotz ihrer Gegensätze. Im Verlauf der Serie wird aus dem Respekt eine Art Symbiose und eine gegenseitige Inspiration und Bedingung. Und das ist vielleicht (neben der absurd erscheinenden platonischen Ebene der Beiden in den längsten Strecken der Serie) das Romantischste an Mulder und Scully.
 
Gleichzeitig sind wir aber auch einer Meinung mit Joss Whedon. Weil wir Geschichten mit Konsequenzen für Figuren einfach ultimativ kühner und grandioser finden. Und weil es schön gewesen wäre zu sehen wohin sich insbesondere Scully aber in anderer Form auch Mulder entwickeln könnte. Stattdessen stand die Serie vor der Herausforderung alle kleinen möglichen Brüche der Figuren auszuloten, die ihr Leben und ihre Überzeugungen nicht grundsätzlich verändern würden. 

Was uns an Akte X' Entwicklungsstörung und der davon teilweise ungebremsten Ausstrahlung der Serie jedoch fasziniert ist letztlich wie unterschiedlich serielles Erzählen sein kann und auf welchen unterschiedlichen Wegen es funktioniert und Besitz von unseren Köpfen und Herzen ergreift. Und darin steckt die vielleicht größte Inspiration und Lehre, die uns Akte X hinterlässt. 

Davon abgesehen, sollten wir nicht unerwähnt lassen, dass der sog. "Mytharc" (lolz) der Show, wie die Episoden, die die Mythologie um die Existenz von Außerirdischen auf der Erde und die Rolle, die die amerikanischen Regierung in diesem Szenario spielt fortspinnen genannt werden, ein Meilenstein des wöchentlichen horizontalen seriellen Erzählens im Fernsehen war. Akte X besteht hauptsächlich aus zwei Arten von Episoden, den allein stehenden "Monster of the week"-Folgen und solchen, die die größere Mythologie der Show weiter erzählten. Dass diese Serie ein solches erzählerisches Wagnis einging und als eine der ersten Shows Staffel-umspannende Arcs erzählte und gleichzeitig zu einer der erfolgreichsten Serien aller Zeiten avancierte kann man nicht häufig genug erwähnen. Vor allem weil Serien wie diese in Artikeln über "Quality-TV" häufig gar nicht erst erwähnt werden. Dass gerade der (oder die) Schöpfer/Showrunner des viel gefeierten BREAKING BADs in dieser Produktion laufen lernte(n) macht diesen Zustand in der "Kritik" um so absurder. 

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