Freitag, 25. Januar 2019

BUNHEADS

[Dieser Text erschien zwischen 2013 und 2016 an einem anderen Ort im Netz.]





Amy Sherman-Palladinos leider bereits gecancelte Serie BUNHEADS wurde kürzlich zum ersten Mal in Deutschland unter dem Namen NEW IN PARADISE im Disney-Channel ausgestrahlt.
Zu Beginn mag einem das Setting nur all zu bekannt vorkommen. "Paradise" ist so etwas wie die Westküstenversion von Stars Hollow, der Stadt, in der Luke, Rory, Lane, Lorelay, Kirk, Sookie und viele andere seltsame nette Menschen aus Palladinos Serienhit GILMORE GIRLS beheimatet waren. Auch zurück ist jedoch Palladinos umwerfende Fähigkeit Räume zu schaffen, in denen uns selbst Alltagstragödien mit einem Hoffnungsschimmer hinterlassen. Palladino ist die Königin der klugen Leichtigkeit. Falls sie sich jemals entschlossen hätte eine Serie über den Stab des amerikanischen Präsidenten zu schreiben, wäre sie womöglich auch zum Liebling diverser Feuilletonisten aufgestiegen. Ebenso wertvoll wie Aaron Sorkins Idealisierung und Romantisierung der Politik und des Intellekts ist jedoch Palladinos Zelebrieren der Schönheit des Alltags. Auch wenn das eigentlich etwas zu kurz gegriffen ist. GILMORE GIRLS bietet schließlich, gemeinsam mit SIX FEET UNDER, die mit Abstand beste und wahrste Porträtierung von Mutter-Tochter-Konflikten des Serienfernsehens. BUNHEADS wiederum greift zwar eine Art surrogate-mother Beziehung, in der Verbindung der Tänzerin Michelle und der Mutter ihres Ex-Mannes und Tanzstudiobesitzerin Fanny Flowers (Kelly Bishop!) auf, die in eine Art Schicksalsgemeinschaft hinein stolpern. Und Michelle selbst wird zu einer Art Mentorin und Mutterfigur ihrer Ballettschülerinnen. Es geht in BUNHEADS jedoch eigentilch um ganz andere Dinge. Eine Tänzerin im mittleren Alter (Sutton Foster als Michelle Sims), die sich in  Frances-Ha-artiger Spannung zwischen Lebenswirklichkeit und Verwirklichungsträumen befindet. Und Michelles Schülerinnen, die zwischen den Herausforderungen ihrer eigenen Familien und erster Liebe, hin und her driften. 
Was die Serie von der typischen im Sportbereich angesiedelten Teenagerserie unterscheidet, ist die erfrischende Leichtigkeit der Rolle, die das Balletttanzen als entsprechenden Sport/Kunst der Wahl einnimmt. DIe meisten Sportserien portraitieren heranwachsende ambitionierte professionelle TurnerInnen oder TänzerInnen. Auch in der deutschen Miniserie  ANNA ging es um den Traum eines Mädchens professionelle Tänzerin zu werden. Die auf KIKA ausgestrahlte australische Serie DANCE ACADEMY ist ein weiteres Beispiel einer Serie, die diese Geschichte ziemlich gut erzählt.

In BUNHEADS spielen zwar auch die tänzerischen Ambitionen Boos, Melanies, Sashas und Ginnys eine Rolle, aber in erster Linie geht es um das Leben an sich, von dem das Balletttanzen einen elementaren Teil darstellt. In Fannys und Michelles Studio finden die Mädels einen Zufluchtsort und eine Ersatzfamilie. Darüber hinaus wird jedoch der Wert des Balletts als künstlerische Ausdrucksform deutlich. Palladino verdeutlicht und integriert diese Dimension des Tanzens auf geniale Weise, in dem sie immer wieder kleine Choreographien in die Episoden einbindet. Desöfteren handelt es sich um Stücke, die die inneren Kämpfe der Figuren in solch einer Klarheit und Poesie ausdrücken, dass man sich wünscht jede Serie würde das Innenleben ihrer Hauptfiguren in kleinen Tanzeinlagen darstellen. 
Was uns an dieser Erzählweise wirklich begeistert, ist, dass das Tanzen hier zur Abwechslung genau die Rolle übernimmt, die Hobbys in der Kindheit vieler Menschen tatsächlich übernehmen. Sie bieten uns die Möglichkeit uns auszuprobieren, zu lernen, nicht unbedingt weil wir die besten Fußball-, Tennis-, HandballspielerInnen oder Balletttänzerinnen der Welt werden wollen, sondern weil wir in diesen Augenblicken eine unvergleichbare Freude daran haben. 

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