Sonntag, 19. April 2009

How We Can All Get By Together

Vor ein paar Tagen berichtete Alix Spiegel in ihrem Beitrag On The Edge: 15 Days From Homeless für NPR über eine 38-jährige Amerikanerin, die noch vor wenigen Wochen einen Job im Personalbereich hatte bis auch ihr Unternehmen von der Wirtschaftskrise erfasst wurde und ihr gekündigt wurde. Die Ausweglosigkeit ihrer Situation stürzte die Frau in eine tiefe Depression.
Dann, kurz nachdem sie ein weiteres Mal nach einem Jobinterview eine Absage bekam, brach in einer Nachbarwohnung ihres Appartmenthauses ein Brand aus. Ein großer Teil der Wohnungsdecke brach ein und eine fehlerhafte Sprenkleranlage setzte die gesamte Wohnung unter Wasser.

Diese Geschichte von Sylvia Martinez macht traurig und wütend.
Wie viele Situationen, Schicksale und Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft. Und als ich den Beitrag hörte musste ich automatisch auch kurz an Betroffenheitsreportagen und -portraits aus den Boulevardprogrammen denken. Geschichten, die in ihrer Tragik, einen Schauwert entwickeln, die den verzeifelten Hausfrauen, Arbeitslosen und Henryk M. Broder, die diese Sendungen gucken, zeigen, dass ihre Existenz doch nicht so trostlos ist, wie sie denken*.

Öffentlich-rechtlicher Journalismus muss selbstverständlich über das berichten, was eine Wirtschaftskrise mit den Menschen macht. Auch wenn die Vorführung von Geschichten, wie der von Sylvia Martinez weh tut und alles etwas verrückt erscheinen lässt, wenn man vor seinem Computer sitzt, seine Hausarbeit schreibt und sonst nicht viel zu fürchten hat. Die Frage nach der Konsequenz dieser kleinen Reportage brachte mich zu einem anderen Beitrag, in der großartigen National Public Radio-Reihe This I Believe.
This I Believe ist eine bemerkenswerte Sammlung von subjektiven Schilderungen des Glaubens an die unterschiedlichen Werte und Gegenstände unserer Zeit**.

Letzte Woche sprach Eve Birch
in ihrem TIB-Aufsatz The Art Of Being A Neighbor von einem Leben, das einmal so ähnlich verlief, wie das von Sylvia Martinez. Birch verlor ihren Job und ihre Wohnung und besaß nichts mehr außer ein bisschen Kleingeld und ihrem Auto. Damit fuhr sie irgendwo in die Berge und richtete eine kleine Hütte wieder her, in der sie von nun an für einige Zeit lebte. In dieser Zeit erfuhr sie die Hilfe von vielen "Nachbarn", die vorbei kamen, ihr nützliche Utensilien brachten und sie auf die unterschiedlichsten Arten Willkommen hießen und für sie da waren. Später ist Eve Birch zurück in die Stadt gegangen, wo sie selbst eine Wohngemeinschaft einrichtete, für Menschen, die wie sie durch einen Schicksalsschlag alles verloren hatten.
Hier kann man sich Eve Birch's essay anhören, was ich sehr empfehle. Und hier folgen einige einleuchtende Passagen:

I used to believe in the American dream that meant a job, a mortgage, cable, credit, warranties, success. I wanted it and worked toward it like everyone else, all of us separately chasing the same thing.
(...)
The locals knew nothing about me. But slowly, they started teaching me the art of being a neighbor. They dropped off blankets, candles, tools and canned deer meat, and they began sticking around to chat. They'd ask if I wanted to meet cousin Albie or go fishing, maybe get drunk some night. They started to teach me a belief in a different American dream — not the one of individual achievement but one of neighborliness.
(...)
What I had believed in, all those things I thought were the necessary accouterments for a civilized life, were nonexistent in this place. Up on the mountain, my most valuable possessions were my relationships with my neighbors.
(...)
The American dream I believe in now is a shared one. It's not so much about what I can get for myself; it's about how we can all get by together.
Den gesamten essay kann man auf der Seite von npr lesen.

Was Eve Birch erzählt ist meiner Meinung nach die, ...DIE Konsequenz der Geschichte von Sylvia Martinez. Und sie wird auch in den Kommentaren zu dem Bericht über Martinez deutlich.

Diese Konsequenz, welche die Frage aufwirft, was ich selbst für andere tue, die weniger Glück haben als ich, erinnert mich auch an die Einrichtungen in manchen unserer Kirchengemeinden, wie Kleiderkammern oder Tafeln. Und ich muss daran denken, wie der Vater einer Freundin vor kurzem davon erzählte, wie schwierig es sei in seiner Kirchengemeinde die Einrichtung für diejenigen, die den Umgang mit Geld nie gelernt haben, die Keines haben oder bei denen es nicht mehr für Kleidung und Essen reicht, aufrecht zu erhalten. Er erzählte, dass in den Gremien der Gemeinde Angst ausgedrückt wurde (weil entsprechende Situationen wohl auch schon vorgefallen sind) , dass manche der Gäste der caritativen Einrichtungen die Räume beschädigten oder irgendwelche Dinge stahlen.

Aber ...besser als sich über die leider häufig auftretende Starrköpfigkeit und mangelnde Offenheit mancher Kirchengemeinden aufzuregen sollte ich wohl besser schauen, wo ich selbst mithelfen und etwas verändern kann.

Und das bringt mich zu einem Blogeintrag von Devin Faraci, den ich irgendwie sehr gelungen fand. Es geht um eine hübsche Obdachlose, die Devin im Touri-McDonalds in L.A. traf, um das Springen über den eigenen Schatten, um Oberflächlichkeit und darum das Leben als Film zu erleben.




*Der gleiche Grund, weshalb ich immer Six Feet Under schaute.
** Da schlägt mein Anthropologinnenherz höher.

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