Samstag, 4. April 2009

Namaste


Die Hälfte der Staffel ist um. Jacks, Suns, Hurleys, Kates, Aarons und Sayids Flucht von der Insel hat sich als ein, in der Erzählzeit, relativ kurzer Ausflug vom Regen in die Traufe erwiesen. Sawyer, Miles, Jin und Juliette hingegen haben es sich bequem gemacht unter den Proletariern der Dharmainitiative.

Für die Rückkehr der Oceanic Six musste mindestens ein Menschenleben geopfert werden. Und alles nur, damit Jack, Hurley und Kate einen schicken Overall geschenkt bekommen?
Dabei ist die Holzhütten-Häuslichkeit der 70er, die Juliette seltsamerweise plötzlich so ans Herz gewachsen ist (hatte sie nicht eine kranke Schwester zuhause, die sie so vermisst hat?), äußerst trügerisch. In unabsehbarer Zeit wird ein Junge namens Ben, den Sayid (in seiner jüngeren Ausgabe) am Ende dieser Folge kennen lernt, alle Bewohner des kleinen Dörfchens ins Grab schicken.


Ob das der Grund dafür ist, dass die Häuser bei der Ankunft von Lapidus und Sun eine buchstäbliche Geisterstadt (mit Geistern und allem drum und dran) bilden? Oder befinden sie sich an/zu (welche Präposition ist hier passend? Vorschläge in den Kommentaren werden dankbar angenommen.) einem Zeitpunkt, den wir bisher nicht kennen gelernt haben? Diese Szene mit Christian Shephard, Sun und Lapidus war übrigens geilo. Und der Übergang von der Fotografie der Geisterstadt in die Realität des Jahres 1977 ebenso.

Die Frage ist, was nun eigentlich die Aufgabe von Jack ist, der auf herrliche Weise zum Zuschauer von Sawyers geschickten Rettungsmaßnahmen degradiert wurde. Ich liebe es wie sich die Machtverhältnisse, seit der Flucht der Oceanic Six umgekehrt haben. Und ich atmete förmlich auf, als Sawyer Jacks vorschnellen Entscheidungen in ihrer Zeit nach dem Absturz kritisierte und darauf verwies, dass er lieber mal ein Bierchen trinkt und nachdenkt statt in der Hast Heldentaten zu vollbringen, die die Dinge nicht wirklich besser machen.

Aber was würde denn die Situation für Jack und Co tatsächlich besser machen? Dass es ein von Problemen unberührtes Zuhause nicht mehr gibt, haben Jack und die anderen fünf Rückkehrer in ihren drei Jahren auf dem Festland erlebt. Die Insel ist nicht nur auf dem sich geographisch ständig verändernden Punkt irgendwo auf diesem Planeten. Sie ist auch in einer Metzgerei in Los Angeles, in der Wüste Tunesiens, in Charles Widmores Büro oder dem Behandlungszimmer eines Krankenhauses.
Hinzu kommt, dass, wenn man die Endloszeitschleife von Ursache und Wirkung verfolgt, die sich seit etwa zehn Folgen vor uns ausbreitet, die Entscheidungen des Einzelnen nichtig werden.
Eines dieser hässlichen Nebenerscheinungen von diesen perfiden Spielen der Zeit. Wenn die eigene Entscheidung, sogar die jemandem das Leben zu nehmen, den Ausgang der Geschehnisse sowieso nicht verändert, was zählt dann meine Handlung überhaupt noch (auch im moralischen Sinne)?

Für mich als Zuschauer ist es natürlich eine der obersten Prioritäten die Mysterien der Insel aufgelöst zu sehen. Ich will Antworten. Die Überlebenden des Flugzeugabsturzes haben die Gründe für die rätselhaften Geschehnisse auf der Insel allerdings nie so sehr interessiert wie uns. Das übergeordnete Interesse am Überleben könnte eine Rolle in dieser Sache spielen.

Allerdings haben sich seit der ersten Folge die Geheimnisse der Insel immer mehr mit den Schicksalen und Geschichten der Charaktere verwoben. Und damit meine ich jetzt nicht Vorfälle im Körperhygienebereich oder das Rätsel um die Eyelinerfabrik, die Richard Alpert im tiefen Dschungel betreibt.

Die Tatsache, dass die Oceanic Six wieder zur Insel zurückkehren "mussten" (was auch immer dieser Zwangsmoment eigentlich bedeutet) ist sowas wie einer der bisherigen Höhepunkt dieser Verwebungen. Ein anderer wäre der Absturz auf der Insel selbst.
Je mehr unsere Helden selbst verstehen inwiefern ihre Schicksale mit den Geheimnissen, die die Insel hütet, verbunden sind, desto mehr wird das Enträtseln der Verbindungen und Beziehungen vielleicht auch zu ihrer Hauptaufgabe.

Das könnte ein Weg sein, der vielleicht zu einer Art Befreiungsschlag aus dem undurchdringbaren Netz an Schicksal, Aufgaben und Vorherbestimmung werden könnte.
Der Weg der Schicksalsgemeinschaft aus ihrer vermeintlich selbst verschuldeten Unmündigkeit.

Die wahre Aufgabe für Jack Shephard, James Ford und Kate Austen könnte also sein aus ihrer misslichen Lage der unwissenden Befehlsempfänger und Ausführer schicksalshafter Botenflüge auszubrechen.

Irgendein Ziel, irgendeine Perspektive (neben der Aussöhnung mit sich selbst und seinem Vater (gilt für 90% der Inselbevölkerung) ) muss es ja geben.

Auch wenn vielleicht in Wahrheit kein Ausweg aus den verwurschtelten Fesseln des Systems konspirierender multinationaler Organisationen, Wissenschaftler und Gottesfiguren (na? Erkennen wir uns wieder?) möglich ist.

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