Freitag, 30. Januar 2009

Lost - Die 5. Staffel: "Because you left" & "The Lie"


Als wir in der letzten Folge der vierten Staffel ("There's No Place Like Home II") mit ansahen wie die Insel auf der Oceanic 815 zu Beginn der Serie abstürzte in einem gleißenden Licht verschwand war das zwar recht dramatisch aber sorgte sicherlich nicht nur bei mir auch für eine recht sorgenvolle Miene.

Offensichtlich sind die Dinge, die wir bisher bei Lost gesehen haben nicht allesamt von dieser Welt gewesen: Das Magnetfeld der Insel, welches Desmond mehrere Male in eine andere Zeit verfrachtet hat. Der schwarze Rauch aka Smokie. Eisbären. Die Tatsache, dass Mr. Eyepatch erst schwer verletzt war und auf einmal wieder quicklebendig auf der Insel auftauchte. Der Fall Christian Shepherd. Das Flüstern. Die Tatsache, dass John Locke als Kind einen Besuch von Richard Alpert abgestattet bekam um dann einige Jahrzehnte später auf der Insel abzustürzen, auf der Alpert offensichtlich lebt oder sogar her stammt. All das entspricht weder den normalen Alltagserfahrungen eines Durchschnittsbürgers noch lässt es sich durch eine einfache Einheit in Telekolleg Physik erklären.



Und doch schuf LOST bisher ein Netz an Regeln und Glaubwürdigkeiten, in deren Rahmen all diese Dinge akzeptabel sind. Auch Desmonds Bewusstseinszeitreise aus der THE CONSTANT schien irgendwie in dieses Regelnetz noch rein zu passen. In der fünften Staffel (angefangen bei Benjamin Linus' Drehen an diesem vereisten Holzrad, was schließlich zum Verschwinden der Insel führt) rückt die Zeitreise allerdings so stark ins Zentrum wie noch nie zuvor.

Durch Bens Aktivierung, und wie wir am Ende der ersten beiden Folgen feststellen, beeinflusst durch eine ältere Frau namens Hawking (!) (bzw die Frau, welche Desmond damals den Ring verkauft hat OMFG!!) die im Keller(!) einer Kirche (!) neben einem Focaultschen Pendel (!) am Computer hockt, springt die Insel durch die Zeit. Wenn man so einen -zugegebenermaßen geilen- Scheiß aufschreibt kommt man sich ein bisschen vor, wie Hurley, der seiner Mutter versucht zu erzählen, was ihm und den anderen Insassen des Flugzeugs nach ihrem Absturz tatsächlich wiederfahren ist. Wenn man als uninitiierter diese Zeilen liest denkt man vielleicht stark darüber nach welcher Einfalt es bedarf sich solch vermeintlichen Schrott reinzuziehen. Als Zuschauer, der die Serie miterlebt, erscheint es einem jedoch trotz der offenen Fragen glaubwürdig und legitim.

Obwohl die Zeitsprünge sicherlich noch einiger Erklärung (wer springt durch die Zeit, nur die Personen aus unserer Realität? Auch Tiere und Pflanzen? Die Anderen auch? Nein. Was macht Desmond so besonders? Würde Sawyer am Strand eine andere Version seiner selbst treffen?) bedürfen, hat es in den ersten beiden Folgen eigentlich ohne große Logikfehler funktioniert.
Dabei hift vor allem Daniel Faraday, seines Zeichens Experte der Zeit und sein dickes Notizbuch, in dem solche Regeln, wie "die Zeit ist wie eine Straße" oder "man kann Begebenheiten nicht verändern"aufgeschrieben sind.


Faraday gefällt mir immer besser und es war auch hoch erfreulich Richard Alpert mal wieder zu sehen. ("It points north, John.") Das Nasenbluten der Kulturanthropologin war genau so Angst einflößend wie unterhaltsam. Die Gruppe der Überlebenden auf der Insel mal ohne sämtliche Ausrüstungsgegenstände zu sehen und mit zu erleben, dass sie nicht einmal in der Lage sind sich ein Feuer an zu machen stellte eine willkommene Abwechslung zur eigentlich stets sehr komfortablen Situation der Losties auf der Insel dar. Der kleine Einschub des rot tragenden Neils war zwar billig aber hat sich dafür in seinem spektakulären Tod durch Feuerpfeildurchborung wenigstens in einem lustig absurden Schockeffekt ausgezahlt.

So gut wie jeder Moment in beiden Folgen war hochgradig bedeutungsschwanger und wichtig oder einfach in hohem Maße unterhaltsam, spannend und lustig. Deswegen fällt es mir auch schwer Szenen heraus zu deuten, die in ihrer Relevanz und ihrem Unterhaltungsgrad heraus ragen.



Langfristig besteht die Gefahr, dass der Plot um die Zeitreise der Insel also die Mythologie, die der Serie zugrunde liegt, die Charaktere, ihre Priorität und Glaubwürdigkeit untergräbt. Aber dafür gab es in diesen 80 Minuten dieser beiden Folgen eigentlich keine Anzeichen. Gefährlich scheint mir nur die Storyline um die erzwungene Rückkehr von Jack und Co zur Insel zu sein. In diesem Zusammenhang schien es sich eventuell um eine Manipulation von Ben zu handeln aber die Begegnung mit der alten weißhaarigen Frau in der Kirche hat diese Vermutung zunichte gemacht.

In einem Interview mit Lindelof und Cuse hab ich allerdings gelesen, dass die Priorität der Rückkehr der Oceanic Six zur Insel nicht von langer Dauer sein bzw. schon sehr früh entlarvt werden wird. Und das klingt meiner Meinung nach recht viel versprechend.
Eine andere heikle Situation ist Desmonds plötzliche Traumerinnerung aus der Zukunft bzw. Gegenwart und der plötzliche Aufbruch nach Oxford. Diese Motivation erscheint ähnlich wie die der Oceanic Six zur Insel zurückzukehren etwas schwach. Wobei letzteres natürlich auch auf das Auftauchen von Locke und die damit stark verknüpfte vertrackte nicht-linearen Erzählweise von LOST zurück zu führen ist .



Bis jetzt stehen die Charaktere alle noch ziemlich gut und mehrdimensional da, denke ich. Aber vielleicht wird sich alleine durch die wegfallenden Vor- und Rückblenden und die Veränderung der Erzählweise ein bisschen der Fokus der Episoden verändern. Wo in letzteren Folgen mehr Zeit dem Vergangenheit-/Zukunftsvergleich eines Charakters gewidmet werden konnte steht jetzt das Hin- und Herschalten zwischen Insel Festland und so gut wie allen Charakteren in ihrer jeweiligen Realität im Vordergrund. Aber vielleicht ändert sich das ja noch.

Ich muss auch sagen, dass ich solange ich 40 Minuten lang so viel Spaß habe und noch alles einigermaßen plausibel erscheint gerne über die ein oder andere Ungereimtheit, die definitiv in diesem Fall existiert, hinweg sehe.

Um zu sehen was sich ändert und was nicht werde ich mir gleich die dritte Episode JUGHEAD ...ich weiß nicht welches Verb unter diesen Umständen das Passende ist ...reinziehen? Oder: auf play drücken um dann gefühlte fünf von weit aufgerissenen Augen, schnellem Herzschlag und kurzen Aufschreien der Ehrfurcht und des Schocks Minuten später den Endtitel aufleuchten zu sehen, den man mit einem verzweifelten "OH NEEIN!" begleitet.

Ich bin total aufgeregt.


Nur Eines noch zum Schluss: Es gibt im Internet wirklich viele sehr ausführliche wie phantasievolle und intelligente Analysen zu allen Lost-Folgen, an die solche mickrigen Kommentärchen wie dieser hier in keinster Weise heran reichen. Deswegen verweise ich sehr gerne auf darkufo.blogspot.com .
Die oftmals analytischen Zusammenfassungen, die sich hier finden sprengen in den meisten Fällen mein klägliches mythologisches Wissen. Die Leute dort finden wirklich in jeder Folge und jeder noch so kleinen Anspielung irgendeinen intertextuellen Aspekt (was Geschichten, Schriften, Ideen innerhalb und außerhalb des Losttexts angeht.). Zudem merkt man erst beim Lesen solcher Zusammenfassungen, was man selbst beim Sehen alles verpasst hat.



Hier sehr empfehlenswerte recaps aus dem Netz:

SUPER LUSTIG UND INTELLIGENT: http://fishbiscuitlandblog.blogspot.com/

VERHÄLTNISMÄSSIG KNAPP UND AUS DEM ETABLIERTEN JOURNO-BEREICH: [ew.com] (Ich trau mich jetzt nicht den link rauszusuchen/auszuprobieren, weil ich da sicherlich auf eine Zusammenfassung von gestern Abend stoßen würde, was natürlich äußerst fatal wäre. )

MIT EINEM HAUCH LITERATURWISSENSCHAFTLICHER PERSPEKTIVE: http://www.powells.com/blog/?p=4476#more-4476

Keine Kommentare: