Mittwoch, 28. Januar 2009

Battlestar Galactica - die letzten zehn : "Sometimes A Great Notion" & "A Disquiet Follows My Soul"


In einigen Wochen wird das letzte Kapitel von Battlestar Galactica erzählt worden sein und eine der besten Serien aller Zeiten (in aller Fairness: die Fernsehgeschichte ist noch nicht allzu alt) damit zu Ende gehen. Aber bis dahin sind es noch 10 Episoden und ich werde versuchen, so gut es geht, zu jeder einzelnen von ihnen hier einen mehr oder weniger sinnvollen Kommentar abzugeben.

BSG ist nun schon seit zwei Wochen zurück auf dem Schirm und meine Nachträge hinken somit jetzt schon hinterher. Das liegt zum einen daran, dass ich ein Wochenende auf Cloud Nine verbracht habe und es somit etwas länger dauerte bis ich die Folge (neue Episoden kommen immer freitags) auf meinem Rechner hatte.

Und zweitens empfand ich es nach der etwas verstörenden ersten Folge, die einen starken Bruch in der Entwicklung vieler Charaktere und der gesamten Storyline darstellte, für ganz gut abzuwarten, in welche Richtung sich die Dinge weiterentwickeln würden.


Es gibt Momente in "Sometimes A Great Notion" (die Folge von vor zwei Wochen), in denen der gewaltige Berg an Lethargie, Alkoholismus, Verzweiflung und selbstzerstörerischer Energie droht die Glaubwürdigkeit der Erzählung von Battlestar Galactica unter sich zu begraben.

Das mag unter anderem daran liegen, dass die schockierende Entdeckung des Zustands der "Erde" für uns Zuschauer schon ein halbes Jahr her sind.
Als wir die Crew der Galactica zum letzten mal sahen standen sie auf dem Planeten, den sie seit der ersten Staffel suchen um festzustellen, dass er, ebenso wie ihre eigene nuklear verseuchte Heimat, vor längerer Zeit, von einer geballten Ladung atomarer Sprengkraft zerstört wurde.

Doch damit nicht genug, deuten mehrere Anzeichen (unter anderem Knochenanalysen von Gaius Baltar- Moment mal, ist sein neue Beschäftigung nicht der Jesus der Flotte? Warum taucht er auf einmal wieder als Wissenschaftler auf?) darauf hin, dass die Bewohner der Erde, die eigentlich als Vorfahren der heutigen Menschen (im BSG-Universum, versteht sich) gelten, allesamt Zylonen waren. Ja. Oh frak.

Diese Information bleibt natürlich erst einmal geheim. Aber Ltd. Dualla scheint irgendetwas zu ahnen. Oder vielleicht war die Hoffnungslosigkeit der zerstörten Prophezeihung und Erde auch nur ein bisschen zu viel für sie. Auf alle Fälle gönnt sie sich noch einen letzten schönen Abend mit ihrem Ex-Mann Apollo (der eine der besten Atheismusbekundungen abliefert, die ich je gehört habe) und gibt sich dann die Kugel. Das ist nicht metaphorisch gemeint. Dee bringt sich tatsächlich mit einem Kopfschuss um.



Roslin und Adama sehen sich damit konfrontiert den Menschen, denen sie während der Flucht vor den Zylonen Hoffnung auf eine neue Heimat gemacht haben, erklären zu müssen, dass all der religiöse Firlefanz auf dem diese Hoffnung basierte, worin Roslins vermeintlich prophezeite Position als sterbende Anführerin mit eingeschlossen ist, höchst wahrscheinlich nichts als Lüge und falscher Glauben war.

Währenddessen findet Starbuck ihren eigenen toten Körper im Gestrüpp der zertstörten Erde, was selbst creepy Leoben ein bisschen zu viel ist. Ich fand es war einer der stärksten und überzeugensten Momente der Folge. Wahrscheinlich spricht dieser Aspekt für sich.


An Board der Galactica herrscht ein Gefühl von Chaos, was nicht unbedingt dadurch gemildert wird, dass Adama besoffen ist und kurz vor dem totalen Zusammenbruch steht, als er der toten Dee einen letzten Besuch abstattet oder Saul Tigh und sich selbst eine Waffe an die Schläfe hält.

Als Adama in einer der früheren Folgen der vierten Staffel auf einmal innerhalb weniger Stunden zum Alkoholiker wurde nachdem er feststellte, dass sein Freund und Kollege Saul Tigh ein Zylon ist, fand ich das schon ziemlich daneben (wer bekam nicht einen Lachanfall, als Lee seinen total zerstörten Vater unter die kalte Dusche schleppte).

Auch wenn die Enttäuschung der zerstörten Erde ziemlich schockierend ist waren die letzten Jahre in der Flotte auch nicht viel besser. Und da hat sich Bill als Ausdruck seiner Verzweiflung höchstens mal einen Schnauzbart wachsen lassen oder sein Schiffsmodell vom Tisch gestoßen und ein bisschen geweint.


In "Sometimes A Great Notion" (der Titel spielt auf den gleichnamigen Roman an) ufert sein plötzlicher Alkoholismus endgültig ins Unglaubwürdige und Lächerliche aus. Das hat vor allem mit der geballten Ladung an Apokalypse zu tun, die hier innerhalb von 40 Minuten am Beispiel von einigen der Protagonisten abgespielt wird. Der Moment, in dem Gaeta mit seinem zylonesque anmutenden Bein (ich würde ja die Hose über die Prothese tragen, aber bitte.) in die Kabine humpelt nachdem sich Dee erschossen hat, oder wenn Anders sich an seine Vergangenheit als Bob Dylan-artiger Rockstar erinnert (für mich einer der Tiefpunkte der gesamten Serie), sind einfach zu viel, egal ob holprige Inszenierungsfehler oder wenig überzeugende Erzählstränge.

Ich musste echt einige Male laut und schmerzhaft auflachen. In einer der Szenen, in denen Adama so verdammt betrunken ist und Eddie Olmos verzweifelt die Zähne fletscht wie ein prehistorischer Säbelzahntiger und seinem Mund nur noch ein unverständliches dunkles Surren entweicht, hatte ich das Gefühl, dass hier etwas verdammt schief läuft.

So schief, dass die Verhaltensweisen der Charaktere, die mir über dreieinhalb Staffeln hinweg durch ihre Tiefe und Mehrdimensionalität ans Herz gewachsen sind, fremd und unerklärlich erscheinen und die Serie vollkommen von dem abweicht, was sie einmal gewesen ist.

Das letzte Mal hatte ich dieses Gefühl als ich während des letzten Indyfilms merkte, dass der Film zuende ging und Indys Kühlschrankflucht die originellste und beste Szene des Films gewesen ist.

Obwohl die Intensität an vielen Stellen der ersten Folge etwas unbegründet ist sorgt sie doch für eine wirklich düstere Grundstimmung, die die Folge in gewisser Hinsicht zu dem endzeitlichsten macht, was ich seit Wolfgang Lipperts Vertonung ostdeutscher Kriminalfälle im Fernsehen gesehen habe.

Nun gehört es ja zu den Stärken von Fernseherzählungen wie LOST oder BATTLESTAR GALACTICA, das sie sich ständig in neue Richtungen entwickeln. Und nach dem Vorfinden der zerstörten Erde und der Gewissheit, dass der Glaube, an dem man sich jahrelang gehalten hat obsolet geworden ist, befindet sich die Erzählung zwangsläufig auf einem neuen Weg.

Auch als sich die Flotte zu Beginn der dritten Staffel auf NEW CAPRICA niedergelassen hatte gab das der Serie eine vollkommen neue Perspektive. Und dennoch fühlte es sich als logische Fortsetzung dessen an, was bisher geschehen war. Und nicht wie der Start einer neuen Version der Serie.

Zum Glück reißt sich Adama in der zweiten Folge ein wenig zusammen.
Er ist nicht mehr ständig betrunken und hebt außerdem den Müll auf,
den seine Soldaten auf dem Schiff hinterlassen.


Dies lag vor allem daran, dass die Charaktere trotz zunehmender Komplikationen und so mancher überraschenden Entscheidungen weiterhin vertraut schienen. Das, was sie taten, war angesichts der Umstände angemessen. In der vierten Staffel haben sich die Hauptcharakter (Starbuck, Lee, Roslin, Bill, etc) samt ihrer Motivationen und Probleme vollkommen verändert:

Lee wurde vom Soldat zum Politiker, Tigh zum Zylon, Tyrol zum Zylon, Anders zu Zylon, Ellen Tigh zur Zylonin, Adama zum Alkoholiker, Roslin von der Gläubigen Anführerin zur ungläubigen sterbenden Frau, Baltar war einst ein Wissenschaftler mit Visionen und einem schwachen moralischen Kodex und ist nun ein Prediger des Monotheismus.



Und dann ist da noch Starbuck, die irgendwann mehr oder weniger suizidal in einen kosmischen Maelstrom flog, daraufhin auf der Erde starb und etwas verwirrt und mit einer ziemlichen Persönlichkeitsveränderung wieder in der Flotte auftauchte. Niemand weiß wer oder was Starbuck jetzt ist. (Außer Ronald D. Moore, hoffe ich.)

Die Menschheit steht zu Beginn der letzten zehn Folgen an einem Scheideweg. Nicht nur in einem kollektiven sondern insbesondere einem individuellen Sinn. Und so sieht jeder der Protagonisten mit der Relativität und Zerstörung der eigenen Identität konfrontiert.

Eigentlich liegt die Stärle von BSG gerade darin, Katastrophen epischen Ausmaßes auf die Ebene der Probleme einzelner Charaktere herunter zu brechen. Doch gerade das heißt auch, dass die Serie ein großes Maß an ihrer Qualität einbüßt, wenn die Verhaltensweisen der Charaktere nicht mehr zuzuordnen und zu verstehen sind.

Und trotz dieser Probleme ist SOMETIMES A GREAT NOTION immer noch ein sehr gutes Stück Fernsehunterhaltung. Weil es, auch wenn die Verbindungen nicht so deutlich sind, wie sie es sein sollten, trotz Allem Teil dieser wunderbaren großen Erzählung Battlestar Galacticas ist. Und entgegen aller Kursänderungen sind diese 40 Minuten auch immer noch ein Beispiel der eher besseren Fernseh-Science-Fiction, die die grundlegendsten Situationen menschlicher Existenz auf unvergleichlicher Weise erzählt und bebildert.

A DISQUIET FOLLOWS MY SOUL verdeutlicht nochmal die Entwicklung der BSG-Geschichte in eine neue Richtung und macht diese durch gute Dialoge und glaubhaftere intimere Momente mit den dennoch weiterhin etwas fremden Charakteren auch ein bisschen nachvollziehbarer. Dennoch lässt sich das Gefühl nicht abschütteln, dass das nicht Battlestar 4.5 sondern 2.0 oder sowas ist und irgendwie die Verbindung zu den Charakteren und Erzählsträngen fehlt, die in den 50 vorherigen Episoden eingeführt wurden.

Die Folge an sich ist zum Glück um Einiges geradliniger geschrieben als ihre Vorgängerin. In der Story verhärten sich die Fronten zwischen den Zylonen und Menschen in der Flotte. Während auf persönlicher Ebene von maschineller Abstammung ungebtrübte Nächstenliebe angesagt ist (alle sind lieb zu Six und ihrem sich in der Entstehung befindlichen Baby, Tyrol ist lieb zu Hot Dog Olmos nachdem er ihm ein paar auf die Mütze gegeben hat weil er seine Ex-Frau geschwängert hat und die platonische Liebesbeziehung zwischen Tigh und Adama scheint wieder auf dem rechten Weg zu sein.) wehrt sich Tom Zarek gegen die Akzeptanz der Zylonen in der Flotte.

Und mal wieder lässt Adama einen amtierenden Politiker verhaften. Bei Gaeta kommt alles hoch: sein nicht mehr vorhandenes Bein, die Tatsache, dass ihn die Gruppe von Widerständlern (die zum großen Teil aus Zylonen bestand, welche Ironie) für seine Mittäterschaft auf New Caprica aus dem Airlock saugen lassen wollte, und vielleicht auch noch andere unterdrückte Gefühle.

Gaeta verhält sich so eigentlich ganz nach dem Vorbild seines ehemaligen quasi-Mentors Gaius Baltar, der sich ja auch immer wieder zu der ein oder anderen Machtgebärde hat hinreißen lassen ohne auf die Folgen zu achten und schlägt sich auf die Seite des Ex-Terroristen-inspirierenden Volkshelden Tom Zarek.

Ich hatte das Gefühl, dass die zweite Episode den Karren wieder ein wenig zurück auf die Schienen, wenn auch in eine vollkommen andere Richtung und mit völlig neuer Besatzung, gebracht hat. Wenigstens wurden solche drastischen Ausfälle wie in der vorherigen Folge vermieden.

Roslins Carpe Diem-Bekundung war wirklich ganz anrührend, ähnlich wie Starbucks kleiner agressiver Austausch mit Bionic-Gaeta und die Zeit, die Ronald D. Moore bei Adama in der (Dusch-)Kabine verbracht hat war auch ganz nett. Gut, Letzteres war im ersten Moment ein wenig schockierend weil ich nicht wusste wie weit Moore gehen würde.


Aber er beließ es glücklicherweise bei dieser einen Einstellung** !!!


Ach ja. Und dann noch dieser hier.


Was die nächste Folge (The Oath - Eine Anspielung auf Adamas Versprechen sich um das Wohl jeden Bürgers zu kümmern. Diese Problematik wurde in dieser Folge schonmal angesprochen als Chief Tyrol den Commander darauf aufmerksam machte, dass dies auch für die Zylonen in der Flotte gelten müsse.) betrifft, so fand ich die 30 Sekunden Vorschau eigentlich recht viel versprechend.

Es sieht ganz danach aus als ob die Fetzen, beziehungsweise Geschosse fliegen und Menschen mit Vätern und Kindern sich in Lebensgefahr befinden werden. Zumindest ist Letzteres das, worauf ich anhand des Ausschnitts ganz am Ende mit Lee Adama tippe. Und die Vater-Sohn Dramatik von Lee und Bill fand ich schon immer sehr reizvoll. Beziehungsweise ist die Eigenschaft Sohn von Bill Adama zu sein fast das Spannendste an Lee's Charakter. (Wenn man von den Gewichtsproblemen absieht.) Andererseits sollte Lee zu diesem Zeitpunkt nicht sterben und damit für eine weitere Adama-außer sich-Krise führen. Aber ich wünsche mir generell Momente, in denen man den Charakteren wieder ein wenig näher kommen kann.

Was BSG all die Staffeln über außerdem so stark machte war der Gedanke einer Art Mission und die dem dahinter stehenden Ziel entgegen gesetzte Realität der von moralischer und physikalischer Schwerkraft losgelösten Zivilisation oder Gang, wie es Apollo so treffen in Crossroads beschreibt.

Die Flotte befindet sich seit jeher in einer Situation der Heimatlosigkeit, geographisch, wie moralisch. Vielleicht wird in dem anstehenden Aufeinandertreffen der Pro- und Antizylonfronten wieder ein bisschen mehr von dieser Atmosphäre der Heimatssuche (wenn auch im übertragenen Sinne einer ethischen Heimat) der letzten Staffeln zu spüren sein.

Und wer das Gefühl hat zu viel zu erwarten, dem empfehle ich folgendes Zitat von Mark Verheiden, dem Autor von THE OATH:

>>THIS FRIDAY, "The Oath", my scripting swan song for Battlestar Galactica. Things get busy on Galactica as bullets start flying. Getting comfortable with the characters, feeling like you have a handle on where things are going? Watch out.<<


Mmhhjjjjjaaaa. Wie auch immer.



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*Noch schlimmer: Die Szene, in der Anders entdeckt, dass er wohl früher mal eine Art Bob Dylan war. Das war wahrscheinlich der Tiefpunkt der gesamten Serie.

**Adama die ganze Zeit beim Zähne putzen zuzuschauen reicht vollkommen.

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