Donnerstag, 24. September 2009

Schmidt

Harald Schmidt macht wieder ne Spätabendsendung. Mit neuem Vorspann, altem Studio, neuen Komparsen, ohne Oli P., donnerstags um 22.47 Uhr, aber meistens unbestimmte Zeit später. Die Premiere war am Donnerstag (vor einer Woche - dieser Eintrag liegt schon ein bisschen länger herum) und es stellt sich die Frage: "Wie wars?" (Beziehungsweise stellt sich angesichts des fortgeschrittenen Datums auch die Frage: Sollte ich heute Abend nochmal einschalten? Um den Rest vorweg zu nehmen: Ja! Unbedingt!)


DER ANFANGSMONOLOG
In den Zeiten von Pocher bestand der Eröffnungsmonolog aus gefühlten 90% geistreicher, genialer Reality-Show-Satire. (Mit ähnlichem Ironieeinsatz wie in vorhergehendem Satz.) Der Monolog am Donnerstag beinhaltete nur drei vorhersehbare unlustige Witze und beschäftigte sich kein einziges mal mit dem Realityshowprogramm privater Fernsehsender. Yay! Erster Punkt für den Schmidtshow-Reboot.

WAHLKAMPFHUMOR
Der Monolog ging fließend über in eine sehr amüsante Verhohnepiepelung diverser Wahlkampfspots und Parteiwerbung. Sehr sehr lustig. Vor allem der erste Auftritt von Caroline Korneli und Pierre M. Krause, der in einer miniklitzekleinen Rolle als wundergeheilter Querschnitzgelähmte nach Berührung mit Guido Westerwelle bei einer FDP-Kundgebung auftrat. Was mich auch schon zum nächsten Punkt führt:

PIERRE M. KRAUSE
Die "Heimseite" von Pierre M. Krause ist vielleicht etwas irreführend. Diese Art von klugscheißerischem "ich übersetze Internetanglizismen ins Deutsche" Humor-beschränkt sich nur auf seine Internetseite. In der Realität ist Krause ein begnadeter Unterhalter. Wenn man ihn im Fernsehen sieht, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass man die nächsten Minuten in einem erleuchtenden Schreitaumel des Amüsements -mit lila-gestreiften Zebraeinhörnern und allem Drum und Dran- verbringt . In Wirklichkeit ist es doch so: Es gibt ausgesprochen wenige Menschen (oder Tiere) im Fernsehen, die tatsächlich mit einer scheinbar natürlichen selbstsicheren Schlagfertigkeit auftreten. Für jeden Flipper und Florian Silbereisen, gibt es zehn orangene Mäuse, die mit kleinen blauen Minielefanten befreundet sind.

Was ich sagen will: Es gibt diese Unterhalter, denen man vertraut und zutraut dass sie, egal was kommen mag, auch im Angesicht eines von oben durch die Studiodecke hereinstürzenden Flugzeugträgers einen perfekten wahren Witz abliefern und dafür sorgen, dass man sich in dieser seltsamen unlustigen Welt für eine Sekunde ein klein wenig besser fühlt. Pierre M. Krause hat ganz sicher dieses Potential. Zumindest war ich davon überzeugt, als ich ihn früher bei DasDing und später dann bei seiner eigenen Late-Night Show RING FREI! im SWR gesehen habe. Ring Frei! war auf jeden Fall besser als viele der letzten Schmidt- und Schmidt & Pocher Sendungen. Vielleicht könnte ich ähnlich gnadenlos Schwärmerisches auch über Korneli und Böhmermann erzählen. Aber die RTL-Serie der drei, die wohl vor ein paar Monaten mal bei RTL lief habe ich leider verpasst.


"WO SIND DIE SCHWEINEGRIPPEOPFER, DIE UNS VERSPROCHEN WURDEN??"
Böhmermanns Auftritt und Skit am Donnerstag war jedenfalls spitze. Böhmermann hatte sich unter falschem Namen den Sat 1 und Pro Sieben Nachrichten gegenüber als Schweinegripppeopfer ausgegeben, das von seinem sozialen Umfeld ausgegrenzt wird. Meiner Meinung nach war die Infiltrierung der Nachrichten eigentlich schon Pointe genug. Beziehungsweise war diese Metaebene, die noch drüber gesetzt wurde, mit Böhmermann als Schauspieler, der seinen Erfolg als Schweinegrippeopfer feiert, nicht ganz so lustig, wie der eigentliche Witz. Trotzdem: Tolle Nummer. Und nicht der erste Moment in dieser Sendung, in dem man an die Daily Show denken musste.

SCHOLL-LATOUR
Oh. Mein. Gott. Vielleicht die beste Nummer der Sendung: Harald Schmidt als Peter Scholl-Latours Bruder in einem auf Fernsehinterview getrimmten Skit mit Katrin Bauerfeind. Schmidt spielt genial. Katrin Bauerfeind .... mmhhhh

KATRIN BAUERFEIND
Katrin Bauerfeind? Ernsthaft? Wenn ich an überbewertet denke, dann denke ich an Bauerfeind.
Sicher. Sie hat eine angenehme Stimme. Ihre Aussprache ist gut. Sie kommt beinahe charmant rüber. Das Problem ist, dass das alles ist. Wenn ich Bauerfeind bei der Berlinale oder anderswo Dienste für 3sat oder die ARD verrichten sehe, dann habe ich nicht das Gefühl, dass sie sich wirklich für diese Dinge und Menschen interessiert, die sie anmoderiert oder interviewt.

Charlotte Roche (ich finde die etwas beliebig scheinende exemplarische Nennung ihres Namens im Zusammenhang mit K.B. ist nicht vollkommen beliebig. Seltsamerweise erscheint beim Googeln von Bauerfeind gleich beim ersten Treffer u.a. ein Bild von Roche. Blasphemie!) moderierte einmal eine Musiksendung. Offensichtlich weil sie sich selbst sehr für Musik interessierte. Mal abgesehen davon, dass man als Moderator nicht immer sein Hobby in eine Show umwandeln muss um gute Arbeit zu erledigen habe ich bei Bauerfeind nicht die leiseste Ahnung überhaupt irgendeines Interesses. Für mich ist sie (nicht Bauerfeind selbst, sondern, ihre Figur vor der Kamera) innerlich leer.

Da ist nichts Außergewöhnliches, Exzentrisches, kein Funke von irgendwas, ...kein Charakter und auch kein besonderes Wissen, keine besondere Sicht auf die Welt, die das was sie sagt oder fragt irgendwie für mich interessant machen könnte. Ich erinnere mich daran mal zufällig vor einem Jahr in ein Interview, dass sie -glaube ich!- auf der Popkomm für 3sat mit irgendeiner französischen Sängerin führte, reingeschaltet zu haben. Irgendwann wurde das Interview abgebrochen, weil Bauerfeind sich nicht mehr mit der Sängerin verständigen konnte.

Bei dem Scholl-Latour Interview hat sie lediglich charmant ihre Fragen runtergerattert. Im soliden Kinokritiksegment ein klein wenig später passierte das Selbe, nur dass ihr Schmidt (zum Glück) ständig ins Wort fiel. Aber selbst dann entsteht kein Rapport, keine Chemie, gibts keinen Funken, kein Feuer, Nix!! Totale Kälte, kein Unterhaltungszuwachs. Dann wurde später noch schön der Text für diese Ausstellungsstücke aufgesagt. Hübsch. Aber alles auch irgendwie überflüssig.

BORIS GROYS
Bis letzten Donnerstag Abend hatte ich keinen blassen Schimmer, wer Boris Groys ist. Der kleine Plausch von Schmidt und seinem Stuttgarter Regisseur (ich glaube gelesen zu haben (sorry, link ist aus), dass es sich um den Menschen handelte, der mit Schmidt zusammen dieses Elvisstück gemacht hat) über Groys und ...andere ... Namen war grandios. Entweder hab ich die Nummer falsch verstanden oder es war eine sehr Loriot-inspirierte Verhohnepiepelung phrasenträchtiger Kulturjournalgespräche. Schmidts Elvis-Regisseur war die reinste Evelyn Hamann. Dieser Stanzrhythmus, in dem der die Künstlernamen raushaute. Dann kam Peter Richter dazu, der hier einen unglaublich guten Videoblog für die faz macht. Sein Auftritt war ein bisschen enttäuschend, aber das war nicht wirklich schlimm. Wirklich Besorgnis erregend war:

DAS PUBLIKUM
Nach diesem Einspieler mit Wickie und dem Antichrist: Absolute Stille. Gleiches bei Peter Richters Nummer. Jeder kann lachen, wann er will. Aber nicht wenn die verdammte Sendung aufgezeichnet und zu mir nach Hause gesendet wird. Das Publikum war das schwächste Glied dieser Sendung.


Unterm Strich war die erste neue Sendung eine dreiviertel Stunde gutes und sehr unterhaltsames Fernsehen. Ich glaube ich hatte weniger erwartet. Bin gespannt wie's weiter geht.

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