Sonntag, 14. November 2010

Heute (Broder)

Heute Abend läuft wieder um 23.30 Uhr (für alle die nicht so oft spät abends ARD gucken, das bedeutet, dass die Serie bestimmt nicht vor 23.45 anfängt) die zweite (von fünf) Folgen ENTWEDER BRODER. In der, ich würde mal sagen, (Real)-Satire-Serie geht Henryk M. Broder mit Hamed Abdel-Samad auf (wie es passend im Untertitel der Serie steht) Deutschlandsafari.

Die zwei Provokateure/Journalisten fahren in ihrem gepimpten Volvo namens Kurt zu bedeutsamen, identitätsbildenden und historisch relevanten deutschen Orten (die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Dachau und die dortige Cafeteria) und Menschen (in der ersten Folge: NPR-Parteimitglieder, Ex-Stasi-Angehörige). Ganz im kulturanthropologischen Sinne entdecken sie in überraschender Manier das Fremde im vermeintlich Vertrauten.

Hier der aufschlussreiche und lustige Auftritt Abdel-Samads und Broders bei Harald Schmidt:



Ich fand die erste Folge (die übrigens auch bei youtube zu sehen ist) sehr sehr sehr sehr gut.
Wie auch bei seinen sonstigen Auftritten auf unseren Bildschirmen (und hin und wieder auch bei seinen printmedialen Unternehmungen) labert Broder, wie ein nach Aufmerksamkeit lechzender 16-jähriger*, einfach so viel verqueres provozierendes Zeug durcheinander, dass hin- und wieder tatsächlich wahre und interessante Aussagen entstehen.

Was die Serie funktionstüchtig macht ist die leicht ironisierende Inszenierung. Bspw. in der Ästhetik des Volvos, in dem die zwei durch die Gegend fahren. Die erotisch, hedonistisch, intellektuell und sonstwie aufgeladene Symbolik des Autos zeigt, dass man sich der widersprüchlichen und oft nicht ernst zu nehmenden Ausstrahlung Broders vollkommen bewusst, was ich herrlich finde. Broder tritt hier (zum Glück) nicht als Journalist auf. Seine Figur ist die des leicht durchgeknallten Provokateurs und Unterhalters mit einem interessanten und festen Standpunkt. (Also eigentlich so, wie man ihn sonst auch erlebt.) Außerdem wurde mit Hamed Abdel-Samad Broder eine Figur gegenüber gestellt, die den verrückten Äußerungen und Ideen ein bisschen Normalität und Vernunft entgegensetzt und vielleicht auch zu einer Art Publikums-Proxy wird.

Ich hatte den Eindruck, dass die Show stark gescripted ist. Vielleicht redet Abdel-Samad (der übrigens in vielerlei Hinsicht ähnlich wie Broder erfrischend Denk und Meinungskonventionen durchbricht) einfach manchmal so als ob er einen Text auswendig gelernt hätte aber in insbesondere einer Szene schien mir der Text doch irgendwie ziemlich deutlich "wiedergegeben" zu werden.

Auch das Ende der letzten Folge: Broders Auftritt als Holokaustmahnmal-Stehle und Abdel-Samads Ansage, dass er bei solchen Dingen nicht mehr mitmache folgte klar einer narrativen Struktur. Dieses fiktionalisierte Konzept, das aber trotzdem noch genügend Raum für Situationen schockierender Realität lässt ist deshalb so großartig, weil es der Serie sehr viel mehr interessantere satirische Szenen und Botschaften ermöglicht als das ein normales Reportage-Format getan hätte. Und es ist so herrlich undeutsch (oh je, dieses Wort, ich hab jetzt schon bereut, dass ich es geschrieben hab. Aber es bleibt stehn, mir fällt nichts Besseres ein) und untypisch wie Broder und Abdel-Samad selbst.

*OMG, ich hatte gerade die krasseste Erinnerung an einen amüsanten ehemaligen Jahrgangskollegen, der meinen POWI und Reli-Kursen immer einen Hauch Broderischen Unsinns verlieh.

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