Dienstag, 26. Oktober 2010

Serie: BORED TO DEATH



BORED TO DEATH erfindet nicht das Rad neu, gehört aber zu den lustigsten Serien, die zur Zeit (übrigens von HBO, was so viel bedeutet wie freies Geleit für alle Wörter der englischen Sprache, den Konsum jeglicher -auch illegaler- Genussmittel und unverklemmter Umgang mit Nacktheit und Sexualität! Klingt gut, was?) produziert werden.

Das liegt in erster Linie an der genialen Paarung brillianter Figuren und Schauspieler.

Insbesondere die der drei Protagonisten: Ted Danson spielt George Christopher, den reichen links-liberalen Herausgeber eines "New Yorker"-artigen Magazins. Jason Schwartzman, sein Protégé ist der eigentliche Protagonist. Schwartzman spielt den Autor Jonathan Ames, der zu Beginn der Serie auf Craigslist eine Anzeige als Privatdetektiv schaltet. Zach Galifianakis ist der bester Freund von Jonathan und Zeichner des autobiographischen Comics Super-Ray. Alle drei stehen auf einer Neurosenebene mit sämtlichen Woody-Allen-Figuren.

Der Spaß in BORED TO DEATH besteht hauptsächlich darin George, Ray und Jonathan dabei zuzusehen, wie sie sowohl privat, auf ihrer Suche nach Liebe und Sex, als auch durch die Fälle, die Jonathan in seiner Tätigkeit als Privatdetektiv übernimmt, in Situationen geraten, denen sie einfach überhaupt nicht gewachsen sind.


Nehmen wir beispielsweise eine Situation in der kürzlich ausgestrahlten Folge THE GOWANUS CANAL HAS GONORRHEA. George (Danson) und Ray (Galifianakis) versuchen Jonathan (Schwartzman) mitten in der Nacht aus den Händen zweier Gelegenheitsganoven zu befreien. Die Verbrecher sind, wie alle Menschen in BORED TO DEATH ziemlich sympathisch und regelrecht bemitleidenswert. Auf jeden Fall besuchen Ray und der bereits leicht bekiffte George Gaststar Patton Oswalt (den meisten Deutschen wahrscheinlich als Spence in King Of Queens bekannt) in seinem Waffenladen und statten sich mit einer SEK-würdigen Schutz- und Angriffsausrüstung aus.


Dass sich hier zwei verweichlichte neurotische New Yorker, der eine Millionär, der andere Comic-Zeichner, bis an die Zähne mit Waffen ausstatten mit denen sie nicht im entferntesten umgehen können, gehört zu den typischen Kollisionen skurriler Gegensätze, die BORED TO DEATH so bezaubernd machen.

Rays und Georges Einsatz endet selbstverständlich desaströs und zu guter Letzt fahren alle drei samt den Entführern in deren Zipcar (eine amerikanische Mietwagenfirma) in die Vorstadt zu Jonathans (Schwartzman) Eltern, die ihren Sohn durch das Aushändigen eines Teils der geforderten Summe auslösen.


Dass Jason Schwartzman den intellektuellen Tu-Nichts-Gut verkörpern kann ist bei aller Freude, die seine Performance macht, ja keine Überraschung. Gleiches gilt für Galifianakis als den weinerlichen Schlub Ray.

Ted Danson ist dagegen (vielleicht weil ich Cheers nie gesehen habe) wirklich eine Offenbarung. George schwankt ständig zwischen dem nostalgischen Tiefsinn eines alternden Mannes und der kindlich naiven Unverfrorenheit eines bekifften Millionärs. Kombiniert man diese Figur mit der Welt von Ray und Jonathan, dann sind die Lacher, die ich gar nicht raus kriege aus meiner Kehle, weil ich gerade dabei bin von der Couch zu fallen, sozusagen vorprogrammiert.



Die Fälle, die Jonathan als Detektiv übernimmt sind meistens sehr einfache Aufträge und spielen obwohl sich immer wieder herrlich atmosphärische Ermittlungsszenen ergeben, eigentlich eine untergeordnete Rolle. Ähnlich wie die Frauenfiguren übrigens. Ich erinnere mich an das lesbische Veganer-Pärchen, das in der ersten Staffel mit Rays Samen Kinder zeugte und viele Sexualpartnerinnen und Freundinnen. In diesem Spektrum erschöpfen sich allerdings auch schon die Frauenrollen.

Aber ehrlich gesagt tut das dem Unterhaltungsgrad der Serie keinen Abbruch. In dieser Hinsicht problematisch sind eher die nicht sonderlich ausgeprägten Spannungsbögen. Die Schicksale der drei Hauptfiguren (die das Interessanteste an BTD sind) werden mit einer eigentlich unterhaltsamen Leichtigkeit erzählt, die jedoch hin und wieder zu Beliebigkeit führt.


Auch schwere Schicksalsschläge werden bei BORED TO DEATH nicht groß dramatisiert oder über-emotionalisiert. Leichtigkeit im Angesicht absurdester und lebensbedrohlichster SChrecken ist hier das Motto. Manchmal führt das aber auch dazu, dass ich nicht weiß ob ich eine Folge überhaupt zuende sehen muss.

Das Positive daran ist, dass ihr besten Gewissens anfangen könnt BORED TO DEATH zu schauen ohne den Sog des außergewöhnlich unterhaltsamen Erzählens großer serieller Fernsehdramen fürchten zu müssen.

BORED TO DEATH ist nicht etwas für Menschen, die auf der Suche nach der nächsten Krimiserie sind, in der jede Woche dasselbe geschieht. Die Serie ist jedoch ein Genuss für Freunde und Kenner des skurrilen Schwachsinns und Menschen, die sich an der täglichen sympathischen Niederlage und dem Scheitern des (oder anderer) Menschen erfreuen können.

Es gibt übrigens noch etwas, das BORED TO DEATH so unwiderstehlich macht. Gastauftritte, die wirklich zum Niederknien sind. Oliver Platt. John Hodgeman. Kevin Bacon. F. Murray Abraham. Jim fucking Jarmusch...

Jim Jarmusch, der auf einem Bonanzarad durch ein leeres Loft fährt? Wie aus einem Traum. Bei BORED TO DEATH wird es für einen Moment Realität.

Fazit: Geilster Scheiß!

Super-Trivia für Smalltalk-Situationen auf den Straßen Brooklyns oder Delmenhorsts: Jason Schwartzmans Noir-Autor ist das Alter Ego des Autors und Erfinders der Serie Jonathan Ames.

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