Samstag, 4. Dezember 2010

Und nochmal zur Freiheit




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Als ich vorletzten Sonntag meinem Bruder zeigen wollte, wie unterhaltsam und gut ENTWEDER BRODER ist, entpuppte sich die jüngste Folge als größter anzunehmender Broder-Unfall. Den kompletten Schadensbericht und Jonathan Franzens deutsches Lieblingswort gibt es nach dem Sprung:


30 Minuten lang ging es letztes Mal bei ENTWEDER BRODER darum die Ziele, Beweggründe und Sinnhaftigkeit einiger Friedensbewegungen zu dekonstruieren. Dabei fand Broder solche bedeutsamen Beispiele wie das einer Friedensgruppe, die eine Wanderung durch ganz Deutschland antritt um schließlich auf der Zugspitze die Friedensflagge zu schwenken.

Darüber kann man durchaus schmunzeln. Aber ich frage mich was dümmer ist. Zu denken eine programmatische Wanderung durch Deutschland brächte den Frieden herbei. Oder sich in einer Fernsehsendung über den Idealismus und Aktionismus einiger Menschen lustig zu machen und zu vermitteln man hätte irgendein symptomatisches Problem in unserer Gesellschaft aufgedeckt.

Dabei fing die Sendung noch ganz lustig an. Unter dem Brandenburger Tor trafen Broder und Hamel Abdel-Samad auf vier ältere Damen, die für eine Organisation namens Mütter gegen den Krieg (ich kann mich nicht mehr genau an den Namen erinnern, aber wenn ich falsch liege gibt es noch mehr Organisationen in dieser absurden Qualität, oh Gott!) für Xenu weiß was für einen Frieden demonstrierten.

Nach einem kurzen Plausch mit Mister Broder kam raus, dass die Damen besonderes Mitgefühl für die Gruppe der Taliban in Afghanisten haben, wo sie laut Aussage der MFDF (?) lediglich ihr Land vor einer fremden Besatzungsmacht schützen. Oder so ähnlich. Solch ein Standpunkt ist sicherlich schockierend. Aber weniger beunruhigend, wenn man sich daran erinnert, dass die Bewegung dort am Brandenburger Tor gerade mal aus vier Menschen bestand.

Broder war trotzdem unglaublich empört. Was irgendwie seltsam schien. Schließlich erklärte er in der ersten Folge, nach dem Treffen mit NPD-Mitgliedern noch wie harmlos die ihm erschienen und dass er sich darüber ja wirklich nicht aufregen könne. Ich glaube es wäre ganz geschickt, wenn Broder in einer der nächsten Folgen auf sich selbst treffen würde, und sich über sich selbst empört.

*

Der Rest der Folge setzte sich aus 60 unerträglichen Minuten belehrender und furchtbar betroffener und empörter Gespräche über falsche Moral und Scheinheiligkeit zwischen Abdel-Samad und Broder und ein paar nicht weiter nennenswerten Zwischenperformances zusammen.


Letzten Sonntag war ich dann froh, dass ENTWEDER BRODER pausierte und stattdessen DRUCKFRISCH lief.

Für alle die DRUCKFRISCH nicht kennen: Es hat ungefähr die geographische Reichweite eines Agentenfilms, das gefühlte Budget eines Tatorts, und ist eine Literatursendung mit dem Kritiker Dennis Scheck. Die Ausgabe am Sonntag war überraschend bescheiden (ich glaube alle Interviews und Berichte fanden in Deutschland statt!) und gewohnt großartig.

Das Interview mit Jonathan Franzen fand ich besonders toll. Es ging eigentlich nur um interessante Themen, wie zum Beispiel Vögel, deren Namen ich noch nie im Leben gehört habe, Freiheit und das Wort "obwohl", bis hin zu interessanten Fakten zum Schreib- und Entwicklungsprozess des Autors.

Was die Sendung für mich so erfolgreich macht sind vor allem auch Dennis Schecks Standpunkte und die Worte, mit denen er diese zu untermauern weiß. Es ist ein Spaß und ein seltenes Vergnügen im Fernsehen mit Eloquenz und Sprachwitz konfrontiert zu werden.





*Auf meiner Suche nach Bildern zu Entweder Broder bin ich auf diese höchst unheimliche Seite gestoßen. Ist doch immer wieder interessant zu sehen, wen solche Formate so alles ansprechen und unter welchen Überschriften (politisch inkorrekt) sich Ideologien so ihre Nischen einrichten.

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